märz 2017 | monatsrückblick

31 März 2017

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a l l g e m e i n

Der Monat März war für uns beide unglaublich intensiv, wir haben ihn aber in vollen Zügen genossen! Wir teilten viele schöne Momente! Natürlich begann auch die Schule wieder, aber das war tatsächlich nebensächlich. Dann war auch der internationale Frauenkampftag, an welchem wir als überzeugte Feministinnen natürlich sehr glücklich waren, so viel Resonanz zu bekommen. Mara war am Mittwochabend an einem Podium mit der unglaublichen Laurie Penny, welche eines von Maras liebsten Bücher zum Thema Feminismus geschrieben hat. Der Anlass war unglaublich schön und wird in naher Zukunft auch noch ausführlicher erzählt. Dann war natürlich auch die damit verbundene Frauendemonstration und der Women's March, Mara war an ersterem, am 18., an welchem der Women's March stattfand, hatten wir eine grosse Tanzaufführung mit unserer Crew, der toll war! Auch in unserem Schreibprojekt sind wir einen Schritt weitergekommen, unsere Texte sind fast beendet und wir sind schon äusserst gespannt auf die Endversionen. Am Dienstag in der gleichen Woche hatten wir auch ein intensives Erlebnis, von dem wir euch hier schon berichteten. Es war ein Charity-Anlass und nahm sich das Thema LGBTQI+ in Uganda an, wo die Menschenrechte starke eingeschränkt wurde. Es war ein unglaubliches Erlebnis. In den letzten März Tagen wurden wir beide dann doch noch vom ganzen Schulstress eingeholt und zum Glück mit ein Paar schönen Frühlingstagen beschenkt.



b ü c h e r

Ohrfeige, Abbas Khider
Das erste Buch, das ich diesen Monat gelesen habe, wollte ich schon lange verschlingen und tat das dann auch am Monatsanfang. Ich musste gleich danach meine Gedanken festhalten, hat die Geschichte doch sehr viel in mir ausgelöst. Auch Anaïs hat von Karim Mencys Leben gelesen und wir werden das Buch auch gemeinsam besprechen. mara
Ohrfeige war tatsächlich eines der zwei Bücher, die ich im März vollständig gelesen habe, ein sehr tolles Buch. Ich stecke momentan in vier oder fünf verschiedenen Büchern fest und es scheint mir, als komme ich nicht mehr aus meiner Leseflaute heraus! Ich möchte eigentlich noch so viel lesen, aber die Zeit lässt dies im Moment einfach auch nicht wirklich zu... Mich hat dieses Buch wahnsinnig beeindruckt und ich hoffe, dass ich im April dann einige meiner schönen Bücherschätzen beenden kann. anaïs

Opfer, Jesper Wung- Song
Opfer war mein zweites Buch, das ich diesen Monat zu Ende gelesen habe. Es ist ein sehr dünnes Buch und liest sich in nur einer Stunde durch. Die ganze Geschichte ist extrem bizarr und irgendwo durch ein rechter Psychoroman. Uns wird auf wenigen Seiten erklärt, was in einer Ausnahmesituation mit dem Menschen passiert, der man eigentlich ist. Verschiedene Abläufe werden vergeblich aufrecht erhalten, bis wir dann komplett durchdrehen. Eine Buchbesprechung folgt im April. anaïs

Grenzlandtage, Antonia Michaelis und Peer Martin
Antonia Michaelis und Peer Martin sind zwei Jugendbuchautor_innen, die ich sehr schätze. Auch wenn ich mich eher von Bücher für diese Zielgruppe entferne, würde ich alles lesen, was mir von ihnen in die Finger kommt. Dass sie zusammen für ein Buch mit einer solch eindringlichen, brisanten Geschichte kooperiert haben, löste nur noch mehr Vorfreude in mir aus. Und ich wurde ganz sicher nicht enttäuscht. mara

Erschlagt die Armen, Shumona Sinha
Auch mein drittes Buch handelte vom unfreiwilligen Ankommen in einem fremden Land und dem Asylwesen dort, es spielt in Frankreich. Am meisten hat mir die bildhafte und lebendige Sprache gefallen, aber mit vielem anderem hatte ich so meine Mühen. Ich habe während des Lesens ein bisschen Tagebuch geführt und euch mit auf die Reise durch dieses dünne, aber emotional aufwühlende Buch genommen. mara

A Typical Girl, Viv Albertine
Ich und Anaïs haben gemeinsam mit einer weiteren Freundin eine Art Buchclub gegründet, ganz spontan, ohne das wir uns vorher gross kannten. Und gleich das erste Buch war ein Volltreffer - wir sind alle Viv Albertines Worten verfallen, sie hat uns inspiriert und angeregt. Da wir glücklicherweise ganz viele Freund_innen haben, die genauso grossen Gefallen an Literatur finden wie wir, überlegen wir uns, eine weitere Art von livresque amitié einzuführen, wo wirklich mehr unserer Freundschaften über Literatur zu Ausdruck kommen! mara

Liebe Ijaewele, Chimamanda Ngozi Adichie
Zum achten März, dem internationalen Frauenkampftag, wurde etwas Neues von Chimamanda Ngozi Adichie veröffentlicht, was mich unglaublich glücklich machte. Nur wenig später durfte ich schon ein schönes Päckchen öffnen und das kurze Buch verschlingen, welches eigentlich ein Brief an ihre beste Freundin ist/war, welche ein Kind erwartete und im Konflikt zwischen Traditionen und ihrer gewünschten feministischen Erziehung stand. Deswegen bat sie Adichie um Hilfe, welche ihr so antworte - wie unsere Töchter selbstbestimmte Frauen werden. Nicht nur tolle und wichtige Lektüre für Mütter oder Töchter, sondern für jeden Menschen. Eine etwas andere 'Buchbesprechung' folgt schon bald. mara

Salz für die See, Ruta Sepetys
Ruta Sepetys trifft Worte wie nur wenige andere Autor_innen. Sie geht so behutsam und so gekonnt mit ihnen um und entwirft Welten, die mich völlig faszinieren und irgendwo abholen. Fast immer sind es Kriegsszenarien - auch in 'Salz für die See' befinden wir uns im zweiten Weltkrieg und begleiten aus verschiedenen Sichten eine kleine Gruppe spezieller Menschen voller Geheimnisse, welche flüchten. Schrecklich und dabei unglaublich berührend. mara


k o n z e r t e   +   m u s i k
mara
Ich war Mitte des Monats am Warpaint-Konzert, eine Band aus LA, deren Musik ich schon längere Zeit unglaublich mag und dich mich oft begleitet, wenn ich warte und lese - aber sie eignet sich auch perfekt zum Tanzen, das hat das Konzert bewiesen. Es war unglaublich schön, weil die Titel so fliessend hintereinander gespielt wurden und eine total schöne und intime Atmosphäre erzeugt wurde, nicht nur durch die Einrichtung mit Pflanzen und Lichterketten, sondern auch weil alle ausgelassen und ehrlich tanzten. Und durch das eher höhere Durchschnittsalter waren auch nicht alle mit dem Handy da. Wir waren ganz nah bei der Bühne und haben den tollen Abend unglaublich genossen!
Dann habe ich auch endlich The XX wiederentdeckt! Das ist vor allem ihrem neuen Album 'I See You' zu verdanken, welches einige grossartige, vor allem aber neuartige Tracks versammelt. Reinhören lohnt sich, ich empfehle zum Beispiel 'Performance' oder 'Say Something Loving'. Für alle, die sie noch gar nicht kennen, empfehle ich einfach allgemein, bei ihnen reinzuhören!
Auch schon seit einiger Zeit begleitet mich Tom Rosenthal, der vor allem mit 'Go Solo' einen Hit gelandet hat, den alle kennen und mitsummen. Ich liebe auch seine Musikvideos, für die er mit unterschiedlichen Künstler_innen kooperiert und kleine Meisterwerke hinbekommt, zuletzt wurde hier 'Oh Melania' lanciert, ein wunderschöner wie witziger und klug-politischer Song, denn ich rauf- und runterhörte, durfte es musikalisch ein wenig ruhiger zu und her gehen.



anaïs
Leider konnte ich im März kein Konzert besuchen, was aber auch nicht weiter schlimm ist. Ich habe diesen Monat ganz viele verschiedene Lieder von neuen KünstlerInnen entdeckt. Von Jazz, Soul, R&B, Punk bis hin zu Alternative. Amy Winehouse habe ich diesen Monat rauf und runter gehört. Sie und ihre Musik begleiten mich schon seit Jahren und ich denke mir bei jedem Lied wieder, wie unglaublich traurig es doch ist, dass diese Frau mit dieser gewaltigen Stimme von uns gegangen ist. Auch die Französin ZAZ ist eine Sängerin, die mich praktisch mein Leben lang schon mit ihren Liedern begleitet und diesen Monat habe ich mir auch ihre Songs immer wieder angehört. 'Le Long de la Route' ist hier eine kleine Empfehlung! Es freut mich auch sehr, dass ich in meinem Hobby, dem Synchronschwimmen, eine Kür zur Musik von ZAZ schwimmen kann; 'Ni oui ni non' höre ich seit einem halben Jahr (nicht ganz freiwillig) rauf und runter. Durch mein Spotify Abo und Liederempfehlungen von Freunden entdecke ich immer wieder Neues. Im März habe ich zum Beispiel auch die Lieder von alt-J lieben gelernt, schon seit längerem höre ich 'Breezeblocks' sehr gerne, ein wahnsinnig tolles Lied. Und noch eine letzte Empfehlung für euch: 'Wild Sun' von The Strumbellas wird wohl eines meiner neuen Lieblingslieder. Musikalisch wurde ich diesen Monat also mit ganz vielen neuen und alten Schätzen eingedeckt.


f i l m e
mara
Ich war diesen Monat nur einmal im Kino und habe da 'Moonlight' geschaut - genau, der Film, der unzählige Auszeichnungen bekam. Ich kann ihn euch wirklich nur ans Herz legen. Es wirkt fast schon wie eine Studie - diese ruhigen, einsichtigen aneinandergehängten Phrasen und Beobachtungen des Lebens von Chiron. Es sind eigentlich drei Abschnitte, welche separat auch als Kurzfilme fungieren könnten - sie verbindet alle nur eine lose Handlung, Chirons Leben als schwarze, schwule Person in den Vororten Miamis. Mir gefällt unglaublich vieles am Film, vor allem aber die poetische Ader davon. Oft waren Szenen in eigenartiges Licht getaucht oder aus speziellen Blickwinkeln gefilmt, ein cineastisches Wunderwerk also. Aber auch, dass der Regisseur die drei Schauspieler Chirons nach den Augen und deren Ausdruck ausgesucht hat, macht Sinn und zeigt sich in diesem Film als wunderschöne und passende Idee. Ganz gelungen finde ich auch die Bedeutung der Namen - Kheiron, falls jemand sich mit griechischer Mythologie auskennt und vorahnen möchte, was der Film dann auch behandelt.

anaïs
Ich schäme mich etwas, das hier öffentlich zu posten, aber im März war ich im Kino und habe mir 'Fifty Shades Darker' angeschaut. Im Gegensatz zu Maras Wunderwerk, war dieser Film absolut schrecklich. Ich wusste während dieser zwei Stunden Film nicht genau, ob ich nun lachen soll oder ob ich weiterhin mit geöffnetem Mund, völlig schockiert auf die Leinwand blicken sollte.  Einzelne Szenen waren so schlecht gemacht, was dazu geführt hat, dass ich tränenlachend auf meinem Kinosessel sass. Ich kann den Hype um diesen Film ehrlich nicht verstehen. Unsere Gesellschaft ist so auf Sex fokussiert, dass selbst ein schlechter Film die volle Aufmerksamkeit des Publikums erhält. Was mich aber gefreut hat, ist dass der Mann an der Kasse meinte, ich sähe aus wie Dakota Johnson, die Hauptdarstellerin des Films. Seit ich einen Pony habe wurde mir das öfter gesagt, lustig. Der Film ist allerdings wirklich nicht empfehlenswert, er vermittelt ganz falsche Bilder von Frauen, von Sex und von allem möglichen. Aber wenn ich beginne amerikanische Filme zu kritisieren, dann habe ich noch eine Unmenge an Arbeit vor mir. Trotzdem hat der Kinobesuch seinen Zweck erfüllt: ich hatte einen lustigen Nachmittag mit drei Freundinnen verbracht.


a u s s t e l l u n g e n
mara
Fotomuseum Winterthur, Fremdvertraut
Ende Februar noch hat es mich in die kleine, süsse, aber etwas verschlafene Nachbarsstadt von Zürich gezogen: Winterthur. In dessen Fotomuseum wurde von Schweiz Tourismus ein spannendes Projekt ausgestellt. In 'Fremdvertraut' ging es um den Blick Fremder auf die Schweiz, und so wurden fünf Fotokünstler_innen, die zuvor noch nie hier waren, eingeladen, sich ihre eignen Gedanken machen und denen dann fotografisch auf die Spur zu kommen, hier. Und so haben sie interessante Aspekte entdeckt und herausgestrichen. Natürlich gefiel mir nicht alles gleich gut, aber ich finde nicht nur die Aufgabenstellung äusserst interessant, sondern auch das Resultat, und so bin ich froh, diese kleine Reise auf mich genommen zu haben und somit einen neuen Blick auf die Schweiz gewonnen zu haben.


t h e a t e r
anaïs
Diesen Monat bin ich leider auch nicht im Theater vorbeigekommen, für die nächste Zeit sind aber schon ein Paar Besuche geplant. Ich spiele allerdings schon seit elf Jahren selber Theater und hier hat sich einiges getan die letzten Wochen. Im Sommer haben wir nämlich eine kleine Aufführung und nach einer Ideensuche haben wir uns mehr oder weniger einstimmig darauf geeinigt, dass wir gerne etwas über verschiedene Epochen machen würden. Hierfür haben wir berühmte Personen, oder für die Zeit typische Leute auf Zettel aufgeschrieben.  In nächsten Schritten werden wir nun verschiedene Charaktere herauspicken und versuchen die an einem Ort zusammenzubringen und lustige Dialoge entstehen zu lassen. Ich bin gespannt auf das Endprodukt!

Liebe Chimamanda Ngozi Adichie | Liebe Ijaewele | Buchbesprechung

26 März 2017

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Liebe Chimamanda Ngozi Adichie,

ich weiss, wie viele Privilegien ich habe, und ich schätze sie unendlich. Dennoch leben wir in Zeiten, für die ich mich schäme. Jetzt, aber auch später, wenn vielleicht meine Enkelkinder lernen, wen wir gewählt haben. Ich weiss auch, dass ich noch jung bin, mich noch stark bilden und noch viel protestieren kann, aber ich stelle mir in letzter Zeit immer wieder eine Frage: Möchte ich Kinder in eine solche Welt, in der wir leben, setzen? Und natürlich kenne ich keine Antwort darauf, werde es wohl auch nie wissen. Aber hätte ich ein Kind, würde ich es mehr als alles lieben. Denn auch wenn es so offensichtlich und gar nicht wortwörtlich einer Deiner Vorschläge ist, ist dies für mich die Grundaussage Deines Buches/Briefs. Liebe. Liebe wird immer stärker sein als Hass.
Deswegen schreibst Du auch einen Brief an Deine Freundin Ijaewele, gleichzeitig aber auch einen Brief an die Menschheit: weil Du sie liebst. Ich glaube wohl genauso stark wie du, dass es endlose unglaubliche Menschen da draussen gibt, die auch lieben, kämpfen und grossartige Ideen haben und tolles (er)schaffen, die sich auch eine bessere Welt wünschen, die ihre Kindern aufzuziehen, um wiederum solch liebende Menschen aus ihnen zu machen. Ohne, dass diese in erster Linie - oder in irgendeiner Linie - ihrem Geschlecht nachkommen müssen. Sie sollen sich entfalten können, exakt so, wie sie sind. Das wollen diese Menschen wohl für ihre Kindern, und sie wollen ihnen die Welt schenken. Ja, die Welt ist schlimm momentan, und somit wirkt das Geschenk klein, aber sie ist mit der Liebe das einzige, was wir wirklich verschenken können. Und glücklicherweise steckt sie voller Möglichkeiten. Genau das ist ja der Grund, weshalb es Menschen wie Dich gibt, welche ihre Stimme erheben und etwas kreieren. Bestimmt - hoffentlich - wird mein Kind irgendwann eloquent, künstlerisch oder musikalisch begabt sein. Das Wichtigste ist mir jedoch, dass es selbstbestimmt wir und seinen Weg durch die bestimmte immer noch nicht bloss blumige Welt finden wird. 
Mit Deinem Buch und Deinen Büchern lernst Du mich, eine bessere Feministin zu sein, sagte ich oft zu interessierten Menschen. 
Aber das ist nicht wahr. Du lehrst mich, eine bessere Person zu sein. Und dafür möchte ich Dir aus ganzem, vollem Herzen danken. Gerade auch, weil Du das für noch so viele andere tust, ihnen eine Stimme schenkst und sie an die Welt glauben lässt. Du hast uns spätestens mit Deiner letzten Veröffentlichung ganz praktisch gezeigt, wo jeder Mensch Sexismus verinnerlicht hat und wie wir damit umgehen können. Denn jeder Mensch wird nicht nur mit Liebe geboren, sondern auch einem Fünkchen Hass. Aber das ist vollkommen richtig so, denn durch den Hass lernen wir die Liebe doppelt schätzen. Und wir können aus ihm ein Feuer entfachten und dieses ein einziges Mal einsetzen, um die zu ersticken, welche Hass verbreiten. Lass uns Liebe verteilen, wie Du es tust. Mit Dir. Und unseren Liebsten. Und unseren Kindern.


danke

Alles Liebe,
Mara Luna

love is love

24 März 2017

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Diesen Monat haben Mara und ich gemeinsam mit mehreren Freunden einen wichtigen Anlass besucht. Mein Pate, Patrick Rohr, ist Fotograf und gemeinsam mit dem Rainbow Support Network nach Uganda gereist um sich ein eigenes Bild vom Leben in Afrika zu machen, dort vor Ort LGBTQI+ Menschen zu porträtieren und deren Geschichten niederzuschreiben um später darüber zu berichten. Uganda ist eines der homophobsten Ländern der Welt. Die LGBTIQ+ (Lesbian, Gay, Bisexual, Transexual, Intersexual, Queer and more) Community wird verachtet und verfolgt. An diesen Menschen wird Gewalt ausgeübt, sie werden zusammengeschlagen, gefoltert,  und teilweise sogar getötet. Die Regierung und die Kirche dulden keine LGBTIQ+ Menschen in Uganda. Es sind Umstände, die in unseren Ohren abartig klingen, wir können uns eine solche Lebenssituation nicht vorstellen. Dieser Abend hat uns natürlich kein vollständiges Bild von der Situation in diesem Land geben können, aber zumindest haben wir einen Eindruck davon, was für ein schreckliches Los man als LGBTIQ+ Mensch in Uganda gezogen hat.



Der Abend fand im Cabaret Voltaire statt, eine, wie ich finde, wunderbare Location für einen solchen Anlass. Es befindet sich mitten in der Altstadt Zürichs und wird als Geburtsort des Dadaismus bezeichnet. Die Räume dienten zugleich als Club, Galerie, Kneipe und Theater.
Der Abend war in drei Teile gegliedert. Anfänglich wurden wir von Patrick Rohr, meinem Patenonkel, und Jakob Keel, dem Gründer des Rainbow Support Networks begrüsst. Anschliessend hat Jakob Keel uns einen Reisebericht vorgelesen. Die beiden Männer, die auch der LGBT Community angehören, haben viel Erschreckendes gesehen und konnten einige Menschen treffen, befragen und fotografieren. Immer wenn ich solche Schreckensszenarien höre, bin ich erstaunt, wie stark diese Menschen trotz ihrer unsäglichen Lebenssituationen auch sind - Tag für Tag ringen sie sich ein Lächeln ab und versuchen aus ihrer Situation das Beste zu machen. Sie leben teilweise in Slums, abgeschottet von der Gesellschaft, womöglich von der eigenen Familie verstossen, und leben einfach  ihr Leben. Diese Leute haben eine krasse Lebensgeschichte hinter sich und versuchen vielleicht gerade deswegen so glücklich wie nur irgendwie möglich zu sein. Die Zukunft ist ungewiss. Wie sieht der morgige Tag aus in einem Land, in dem man nicht akzeptiert ist und welches erst vor kurzer Zeit sogar einen Rückschritt erlitt und die Todesstrafe für LGBTIQ+- Angehörige eingeführt hat? (Mittlerweile wieder aufgehoben, wie davor auch, aber dennoch eine massive Stagnation für Uganda.)


Im zweiten und eindrücklichsten Teil des Abends haben uns Betty und Isaac von ihrem Leben als LGBTIQ+ Ugander erzählt. Beide sind in die Schweiz geflüchtet und haben hier einen Asylantrag gestellt, Isaac ist bereits anerkannter Flüchtling und Betty muss seit zwei Jahren auf einen Entscheid warten. Die beiden haben uns die wichtigsten Punkte ihrer tragischen Lebensgeschichten erzählt. Nachdem ihre Eltern gestorben sind, als sie noch ein Kind war, ist Betty bei einem Adoptivvater aufgewachsen, welcher sie missbrauchte. Mit der Zeit hat sie herausgefunden, dass sie lesbisch ist und sich in eine Schulfreundin verliebt und mit ihr ihre erste wirkliche Sexualität erkundet. Ihr Adoptivvater platzte dann in ein Treffen der beiden und erfuhr von ihrem 'Geheimnis'. Dies hat ihr Leben völlig aus den Fugen geworfen. Daraufhin wurde sie nämlich an einen älteren Mann zwangsverheiratet. Der Mann arbeitete für die Regierung und wusste nichts von Bettys eigentlicher Sexualität. Er misshandelte und vergewaltigte sie; irgendwann war sie schwanger mit Zwillingen. In dieser Ehe musste sie sich die ganze Zeit als eine Person ausgeben, die sie nicht ist. Irgendwann sah sie eine junge, engagierte Frau im Fernsehen. Sie ist in Uganda eine bekannte Persönlichkeit, die sich öffentlich für LGBTIQ+ Ugander_innen stark macht. Diese Frau ist heute Bettys Freundin. Betty machte sie im Internet ausfindig und arrangierte ein Treffen mit ihr. Dabei wurden sie leider von ihrem Mann gesehen, dem sofort klar war, was Sache ist. Er hat Betty verboten jemals wieder Kontakt mit ihm oder ihren Kindern aufzunehmen. Nach mehreren Monaten ohne Kontakt versuchte Betty ihre Kinder heimlich zu sehen und suchte ihre Schule auf - auch hierbei sah sie ihr 'Exmann' und verbot ihr nochmals ausdrücklich, in irgendeiner Weise Kontakt aufzunehmen und warnte sie auch davor, in ihr neues Zuhause zurückzukehren - die Polizei würde dort in wenigen Minuten eintreffen.
Die hübsche Afrikanerin war den Tränen nah, sowie wir auch. Auch Isaac hat uns seine traurige Geschichte erzählt. Er hat wie Betty im Teenager-Alter gemerkt, dass er schwul ist. Seine Eltern wollten ihn an eine Frau verheiraten, er wollte dies natürlich nicht. Seine Familie hat durch die Polizei herausgefunden, dass ihr Sohn schwul ist. Er wurde nämlich verhaftet. Isaac hat Hilfe bei engagierten Organisationen erhalten und ist untergetaucht. Seit gut sieben Jahren ist Isaac in der Schweiz, nachdem ihn seine Reise hierhin geführt hat. Wir danken den beiden aus tiefstem Herzen dafür, dass sie uns ihre Geschichte erzählt haben und solch grosses Vertrauen geschenkt haben!


Im dritten und letzten Teil des Abends wurden die wunderschöne Bilder meines Patenonkels versteigert. Zehn Bilder davon sind Porträts und eines ist ein Gruppenfoto. Vor der Versteigerung haben wir die Geschichte hinter jedem Bild erfahren. Zehn weitere schockierende Lebensgeschichten. Ein junger Mann zum Beispiel wurde gemeinsam mit Freunden an einer LGBTIQ+ Party von einer Polizei Razzia überrascht. Sein Freund sagte ihm, dass er sich aus dem Staub machen und in Sicherheit bringen sollte. Der junge Mann liess seinen Freund daraufhin 'im Stich' und machte sich tatsächlich davon. Dabei passierte ein schrecklicher Unfall: Es war stockdunkel, er konnte seine eigene Hand nicht vor Augen sehen. Er rannte und stürzte aus dem vierten Stock. Der Ugander hatte Glück im Unglück: Er ist nicht gestorben und auch nicht gelähmt. Seine Freunde haben es sogar arrangieren können, dass er unbemerkt von einem Krankenwagen  in ein entferntes Spital abtransportiert werden konnte und somit die nötige medizinische Versorgung erhalten konnte, ohne dass die Polizei etwas merkte. Die Bilder wurden für über 18'000 Schweizer Franken verkauft, was für ein Erfolg!


Alle Bilder sind urheberrechtlich geschützt und vom Fotografen Patrick Rohr. Das Rainbow Support Network ist für jede Spende dankbar, sie werden für wohltätige Zwecke verwendet. Das ist die Banknummer:

PostFinance Bank Account#89-727626-5
IBAN: CH74 0900 0000 8972 7626 5
BIC/SWIFT: POFICHBEXXX



Hier noch ein Paar Eindrücke von unseren Freunden, die an diesem Abend ebenfalls dabei waren, und uns:

Zunächst einmal fand ich es wahnsinnig toll im Cabaret Voltaire. Ich fand es extrem gefühlvoll und eindrücklich zu hören, wie  Menschen, denen solch schlimme Dinge widerfahren sind, uns davon berichtet haben. Es war sehr mutig von ihnen zu entscheiden, dass sie ihre Geschichte mit uns teilen möchten. Mich schockierte alles sehr, da wir hier in der Schweiz kaum mitbekommen, was in Uganda und anders wo passiert. Bei uns herrschen schon ganz andere Bedingungen. Mein Horizont wurde auf jeden Fall erweiterte und ich bin noch immer sehr bewegt und beeindruckt von diesem ganzen Abend!
Yanis, 16



Der ganze Abend war sehr eindrucksvoll auch wenn man selber kein LGBT Mensch ist. Uns wurden harte Geschichten Nahe gelegt und besonders das Interview hat mich beeindruckt. Der Anlass war sehr spannend und informativ, auch die Bilder haben mir gut gefallen. Die Geschichte dahinter zu erfahren machte das ganze noch berührender. 
Marc - André, 16, wollte sogar selber mitbieten, konnte aber ab einem Preis von 500.- nicht mehr mithalten

Ich finde diese Stiftung super. Dieser Abend hat mir vor Augen geführt wie ungerecht Homosexuelle, Bisexuelle, Transsexuelle und allgemein anders sexuell orientierte Menschen in Uganda verachtet, unterdrückt und diskriminiert werden. Diese Stiftung unterstützt und beschützt diese Menschen und sorgt dafür, dass sie sicher sind und eine Gemeinschaft haben, wo sie sich wohl fühlen. Sie können FreundInnen finden und sich selbst sein und müssen sich nicht verstellen, nicht in ständiger Angst leben, dass jemand ihr "anders" sein bemerken könnte und sie verhaftet werden. Ich finde es super und freue mich, dass sich jemand für diese Menschen einsetzt.
Leonie, 15



Ich bin noch immer absolut geflasht von diesem Abend. Ich habe so viel Neues erfahren, so viel Erschreckendes gelernt und bin so unendlich froh die Möglichkeit gehabt zu haben ins Cabaret Voltaire zu fahren und diesen Anlass mitzuerleben. Ich bin zu tiefst geschockt und beeindruckt von allem, was ich diesen Abend gehört habe. Die Geschichten dieser wunderschönen Menschen haben mich zu Tränen gerührt. Ich wurde selten so inspiriert wie im Cabaret Voltaire. Einmal mehr habe ich gemerkt, dass stilles Rumsitzen nichts bringt und dass wir Dinge ändern müssen. Ich möchte selber in Länder reisen, den Menschen helfen und ihnen ein besseres Leben ermöglichen. Ich möchte etwas tun, mich einsetzen, auch wenn ich nicht selbst davon betroffen bin. Es gibt noch so viel zu tun auf dieser Welt, ich weiss gar nicht, wo ich anfangen sollte zu helfen. Ich bin so stolz auf meinen Götti, es braucht mehr solche guten Menschen, die sind wie er und die Mitarbeiter des Rainbow Support Networks. Ich kann es kaum glauben, dass wir in einer Welt leben in der wir es mit solchen Problemen zu tun haben. Liebe sollte einfach Liebe sein - und jeder hat das Recht zu lieben, wen oder was auch immer er möchte.
Anaïs Elsa, 15


Dieser Abend war ein sehr aufschlussreicher. Mir ist natürlich bewusst, dass nicht heterosexuelle Menschen in vielen Ländern, Kulturen und Religion nicht akzeptiert werden. Trotzdem vergisst man das oft, denn in unserem Umfeld (Land, Politik, Bildung...) sind wir niemals in solchem Ausmass, wie am Beispiel von Uganda, mit diesen "Konflikten" konfrontiert. Damit möchte ich nicht sagen, dass es keine Konflikte unterschiedlicher Sexualitäten gibt, nur niemals so schlimme. Sehr berührend und leider tragisch waren die Geschichten von Betty und Isaac, sowie aller anderen auf den Bildern. Mich hat dieser Abend aufgeklärt und daran erinnert, was es heisst lesbisch, schwul, transsexuell, bisexuell etc zu sein, in einem Land, das so funktioniert und denkt wie Uganda.
Lya, 15, >Sollte man nicht verpasst haben.<



Ich werde unheimlich oft gefragt, weshalb ich soviel lese. Es ist nunmal so, wenn auch es eine der allerschwierigsten Realisierungen ist, dass wir bloss ein Leben haben, so simpel dies auch klingt. Es ist von absolutem Zufall bestimmt, dass ich als heterosexuelle, weisse Frau in der Schweiz geboren wurde. Die Verschiebung einiger dieser Attribute bringt viele Menschen in Lebensgefahr, weil einfach massive Teile dieser Welt noch in einem beinahe mittelalterlichen Weltbild feststecken und sogenannte 'Andersartigkeit' nicht akzeptieren wollen. Sie werden nicht nur diskriminiert, sondern oft auch angegriffen, ihren Rechten beraubt oder von der Zivilisation abgeschottet. Ich lese, weil ich mich so in andere Leben hineinversetzen kann, um zu erfahren, welche Vielfältigkeit ein Leben bietet und wie ich hätte aufwachsen können. All dies macht mir auch klar, dass ich in meinem einen Leben anderen Menschen helfen muss, die es nicht so gut getroffen haben wie ich, auch wenn ich absolut nichts dazu beigetragen habe. Und in vielerlei Hinsicht war dieser Abend wie ein unglaublich gelungenes Buch. Mein Horizont wurde erweitert und ich erfuhr von Schicksalen, die Menschen teilen, die unmittelbar neben mir im Raum anwesend sind, die nun hier leben und vielleicht scheinbar von den gleichen Privilegien wie wir Schweizer_innen profitieren - aber was sie hinter sich haben (und teilweise mit unserem zerrütteten Asylwesen auch noch vor sich haben) sehen wir ihnen natürlich nicht auch, wenn auch ihre intensive Ausstrahlung mich in ihren Bann zog. Diese ging von den zwei Personen aus, die gesprochen haben, aber scheinen auch aus den Augen, die Patrick Rohr so roh eingefangen hat.
Ich persönlich liebe Projekte, in denen soziales / politisches Engagement auf verschiedene Ausdrucksformen der Kunst prallen und so war ich auch von diesem Konzept fasziniert. Dass dieses Projekt für die beiden Hauptakteure Jakob Keel und Patrick Rohr lebensverändernd war, sah man ihnen an und hörte man aus jedem Wort, dass sie an diesem Abend mit uns teilten. Ausserdem haben sie den Nerv der Zeit und des (zugegebenermassen eher einseitigem) Publikum getroffen und konnten uns alle in den Bann ziehen mit ihrem stimmungsvollen Abend.
So verstörend und aufwühlend die einzelnen Schicksale auch waren, trug der Abend vor allem auch einen kräftig leuchtenden Funken Hoffnung in sich, dessen Strahlen uns alle verband. Nicht nur die Menschen, die in dieses Projekt verwickelt waren, sondern alle Menschen im Raum verstanden, dass wir dieses eine Leben und diese Privilegien haben, um einen Grossteil davon Menschen zu schenken, die eben zufälligerweise ohne diese geboren wurden.
Mara Luna, 16



Der Abend im Cabaret Voltaire war für mich sehr lehrreich und beeindruckend. Als ich mit Anaïs im Cabaret Voltaire ankam, wurden wir herzlich von ihrem Götti empfangen, welcher mit seinem Team nach Uganda reiste, um dort homosexuelle (etc.) Menschen kennenzulernen, welche dort ihre Identitäten verstecken müssen, um nicht verfolgt oder gar umgebracht zu werden. Anaïs' Götti hat sich somit in Lebensgefahr gebracht, um uns die Realität in anderen Ländern näher zu bringen, was meiner Meinung nach sehr lobenswert und vorbildlich ist. Ich habe gelernt, dass es sich lohnt, sich über aktuelle Themen zu informieren und einzusetzen, auch wenn man selber nicht davon betroffen ist. Am späteren Abend wurden eine homosexuelle Frau und ein homosexueller Mann interviewt. Ich konnte nicht fassen, welche Schicksalsschläge diese beiden jungen Menschen bereits in jungen Jahren erlitten haben - nur aufgrund ihrer Sexualität. Was mich aber abgesehen von der Thematik sehr beeindruckt hat, war, wieviele Leute von verschiedenem Alter zu diesem Anlass erschienen sind.
Fabia, 16



Alle Beteiligten an diesem Post bedanken sich ganz herzlich an Patrick Rohr, Jakob Keel und dem Rainbow Support Network für diesen spannenden und aufschlussreichen Abend. 

Grenzlandtage von Peer Martin und Antonia Michaelis | Buchbesprechung

22 März 2017

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Zwei Wochen Ferien liegen vor Jule, zwei Wochen Frühling auf einer winzigen griechischen Insel. Das Meer ist blau, die Nächte sternenklar, und das Dorf duftet stets nach frischem Brot. Alles scheint perfekt. Bis Jule den Jungen mit der verbundenen Hand trifft. Bis sie begreift, wer er und die anderen sind, die im Verborgenen leben. Jules Welt gerät aus den Fugen. Denn das Meer ist ein Grab, das Dorf ein Ort des Misstrauens, und die Nächte sind kalt. Und quer durch die Wellen läuft eine Grenze, die niemand sieht. Eine tödliche Grenze.


Oetinger | Original Deutsch | Taschenbuch | 13,99 Euro [D]

Ich konnte meinen Augen zuerst gar nicht trauen, aber schlussendlich hielt ich dann selbst ein Exemplar in der Hand. Tatsächlich, Antonia Michaelis, die Worte in Bilder verwandelte, Buchstaben in wundersame Kreaturen und Texte in flüssiges Gold, und Peer Martin, der scharf und dennoch feinfühlig von brisanten Themen berichtet und die geschickt und galant einzubauen weiss, der mich absolut und völlig von seinem 'Sommer unter schwarzen Flügeln' überzeugen konnte, dass ich fast schon mit tatsächlich hohen Temperaturen mitfieberte, ob der Roman nun den wohlverdienten deutschen Jugendbuchpreis gewinnen wird oder nicht. (Übrigens - ja, hat er dann glücklicherweise auch.)



Davon abgesehen ist schwer in Worte zu packen, welche Vorfreude mein Blut durchfloss, während ich kaum erwarten konnte, mich ihn ihren verwebten Worten zu verlieren. Vorfreude ist die schönste Freude, fällt mir da prompt ein, aber ich muss diese Redewendung wohl zum ersten Mal wirklich negieren. Vielleicht auch nicht ganz, denn so toll und bewegend das Lesen war, so harte Themen packt das Buch auch in Worte. Es ist nicht immer ganz leicht, Jugendliche zum Lesen zu bewegen. Und wenn, hängen sie oft in Fantasywelten umher. Dabei sind sie in diesen Zeiten wohl am stärksten - nun ja, gut, auch wenn ich mit der Wortwahl nicht ganz zufrieden bin - am beeinflussbarsten. So kann sich eine Erfahrung, so hat sich das Buch nämlich angefühlt, unglaublich prägend auswirken. Ich greife zu so vielen Bücher aus einer gewissen Art von Wissbegierigkeit - nein, ich bin nicht eine, die liebend gerne zur Schule geht, aber wenn ich bedruckte Seiten sehe und mir vorstelle, wie viel mehr ich danach wissen, kennen, erfahren habe, dann kann ich mich nur schwer zurückhalten. Und dieses Buch hat mir unglaublich viel gegeben. Dabei bin ich nicht mal so unwissend oder unpolitisch wie unsere Protagonistin Jule, im Gegenteil, ich beschäftige mich viel mit der Flüchtlingskrise und Flüchtlingen selber, sowie deren Situation hier in der Schweiz. Trotzdem konnte ich mich unglaublich gut mit Jule identifizieren. Sie ist 17 und macht gezwungenermassen alleine Ferien auf einer griechischen Insel, und nicht nur ist mein Traum schon lange mal das eigene Verreisen, das Entdecken auf eigene Faust, diese Selbstbestimmtheit zu spüren, nein, ich war auch schon zweimal auf griechischen Insel und habe das Lebensgefühl und die Mentalität dort tief eingesogen. Das wäre aber gar nicht nötig gewesen, wenn ich ganz ehrlich bin. Denn die Gerüche, die Klänge, das Gefühl von Freiheit und Unbändigkeit wird so voller Inbrust beschrieben, dass ich mit Jule mitgereist bin und auf dieser kleinen griechischen Insel gelandet bin, ganz unverhofft, aber unglaublich glücklich.

Durch die Geschichte ziehen sich der Schmerz von neuen intensiven Erfahrungen und Begegnungen wie durch das echte Leben, prägende Momenten wird so schmerzvoll Eindruck geschaffen, als hätte sich wirklich etwas durch die Haut gebrannt. Antonia Michaelis schreibt schon lange so, als würde sie mehr als andere Autor_innen verstehen. Sie reiht nicht nur Worte aneinander, um eine andere Realität wiederzugeben, sie weiss auch die Fantasie, Gedanken und Gefühle in Worte zu fassen, ihre Düsterheit und manchmal eben auch ihre Verletzlichkeit, so wie hier. Peer Martin kenne ich da leider schlecht, aus seiner eigenen Feder habe ich bisher 'nur' etwa 500 Seiten gelesen, aber sie haben mich von ihm absolut überzeugt, als brillianter Geschichtenerzähler, der nicht nur weiss, wie man mit Romantik umgeht, sondern auch so viel mehr macht, als man von der Ausgangslage erwarten würde. Sie beide in Kombination, und ich weiss, davon habe ich nun schon oft geredet, haben ein beinahe zeitloses Werk geschaffen, dass wie kein vergleichbares von Anfang bis zu Ende erzählt. Es spielt nicht, wie viele andere, im Land der Asylanträge. Es spielt auch nicht eine ganze Flucht durch, denn sie scheinen genau zu wissen, dass es für jemanden ohne solche Erfahrung unmöglich ist, eine Erlebnis wie dieses nachzukonstruieren. Hingegen wissen sie genau, wo wir stehen, wie wir mit Flüchtlinge in Kontakt kommen könnten und spielen das ganze Szenario durch, voller Unverständnis und Verleugnung manchmal, aber am Ende ist es die Wahrheit, die Ehrlichkeit, die tief in uns allen steckt, die siegt. Und ich weiss, wie unglaublich kitschig sich das jetzt anhören mag, deswegen möchte ich euch eine der schönsten Liebesgeschichten empfehle, eines der wichtigsten und prägendsten Bücher für Jugendliche, die jetzt während der Flüchtlingskrise scheinbar 'normal' weiterleben - lest dieses Buch, bitte.

lissabons schönste buchhandlungen

19 März 2017

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an keinem anderen ort sind die farben aus so vielen farben gemacht wie an diesem. 
- José Cardos Pires über Lissabon





Mitte Februar bin ich zum ersten Mal seit Jahren mit meinen Eltern alleine in einer Stadt gewesen. Alleine deshalb, weil wir meinen Bruder nur begleiteten. Er hatte ein Trainingslager in der Nähe von Lissabon, wir drei machten einen wunderschönen Städtetrip. Schon die ersten zwei Stunden, die ich in dieser Stadt verbracht habe, waren magisch: ich habe mich verliebt. Selten habe ich so viel gestaunt und ich bin wahnsinnig beeindruckt, wie viel die Hauptstadt Portugals zu bieten hat. So wunderschöne Häuser, eine wahnsinnig tolle Architektur. Alle alt mit ganz viel Charme,  nicht herausgepützelt aber auch nicht abgefuckt - eine perfektes Mittelmass. Ich war bisher in keiner Stadt mit soooo vielen Plätzen und Farben. Ein reines Spektakel. 

B U C H H A N D L U N G E N 

livraria bertrand
Die Livraria Bertrand ist die älteste Buchhandlung der Welt. Seit 1732 wurde sie durchgehend betrieben. Ich bin zufällig an sie herangelaufen, wollte sie allerdings früher oder später sowieso noch aufsuchen. Sie soll nämlich auch eine der schönsten Buchhandlungen der Welt sein. Sie ist wunderschön mit Holz ausgestattet und hat innen ganz hohe Räume, die Decken sind gewölbt. Durch die Architektur kann man sich nur zu gut vorstellen, dass es diese Buchhandlung schon ein Weilchen gibt. Leider sind alle Bücher nur auf Portugiesisch verfasst und das Stöbern blieb somit für mich, der Sprache wegen, aus (vielleicht auch gar nicht so schlimm, ich hätte wahrscheinlich zu viel Geld da gelassen...). Die Buchhandlung befindet sich im Quartier Chiado an der Rua Garett 73. Rund um dieses Geschäft gibt es hundert andere Läden, die alle nicht besonders erwähnenswert sind (ihr kennt sie eh schon alle; Zara, Mango, H&M...). Wie viele Häuser in Lissabon hat auch dieses Gebäude auf der einen Seite eine Mosaikwand, zugegeben es erinnerte einen teils an eine Badezimmerwand. Aber ich finde Gefallen daran, ich liebe solche Muster! 






livraria sà da costa
Nicht weit von der ältesten Buchhandlung der Welt befindet sich die Livraria Sà da Costa, nämlich ebenfalls an der Rua Garett 100. Im Gegensatz zur Livraria Bertrand haben wir es hier nicht mit zeitgenössischen Werken zu tun, sondern mit antiken. Auch hier waren die meisten Bücher auf Portugiesisch verfasst, doch der Anblick der Buchrücken und Covers hat mir schon gereicht, um mich faszinieren zu können. Es gab verschiedene Ständer mit alten Landkarten, die man sich anschauen konnte und auch andere kleine Dinge, wie zum Beispiel Globen, waren ausgestellt. Ich habe mich allerdings nicht getraut, auf die Preisschilder zu schauen, mit diesen antiken Büchern ist nicht zu spassen! Auf jeden Fall ein Blick Wert diese Livraria Sà da Costa in Chiado, vor allem für Sammler und Sammlerinnen kann es hier interessant werden.





livraria ler devagar
Auf diese Buchhandlung war ich am meisten gespannt! Auf allen Bildern sah sie so speziell und riesig aus, ich habe so etwas noch nie zuvor gesehen. Ich wurde definitiv nicht enttäuscht. In Alcantara in Lissabon gibt es ein riesiges Fabrikgelände mit alternativen Läden, gefüllt mit schrägem nicht so schönen, aber auch kreativem schönen Krimskrams, schönen Cafés und Restaurants sowie verschiedenen Grafittiwänden und tollen Fotokulissen. Die LX- Factory ist definitiv einen Besuch wert und gibt der Stadt gleich noch einmal ein etwas neues Flair. Die Buchhandlung ist ein Antiquariat und ein reiner Blickfang. In einem riesigen Raum mit Bücherregalen bis zur Decke kann man Bücher und CD's bewundern. Es gibt Treppen, die scheinen, als flögen sie von der Decke herunter und die Fotokulisse ist einfach genial. Auch hier waren fast alle Bücher auf portugiesisch, aber ich bin trotzdem froh, einen Fuss in diesen Laden und das ganze Gelände gesetzt zu haben. Ein reines Spektakel und ein Muss für Bücherfans - ihr werdet nicht enttäuscht sein! Die LX- Factory befindet sich an der Rua Rodrigues de Faria 103 in Alcantara.







Erschlagt die Armen von Shumona Sinha | Buchbesprechung

17 März 2017

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Eine junge Frau schlägt einem Migranten in der Metro eine Weinflasche über den Kopf und findet sich in Polizeigewahrsam wieder. Dort soll sie sich erklären: Was treibt eine dunkelhäutige Frau indischer Abstammung, die in der Asylbehörde als Dolmetscherin zwischen Asylbewerbern und Beamten vermittelt, zu einer solchen Tat? Täglich übersetzt sie das Jammern und die Lügen der Antragsteller, deren offensichtliches Elend der Behörde nicht reicht - und ist angewidert vom System, dessen Teil sie geworden ist. Als Migrantin bleibt sie fremd in den Augen der Beamten, aber auch ihren ehemaligen Landsleuten ist sie entfremdet - als eine, die es geschafft hat. Schliesslich scheint es auch für sie in der menschengemachten Enge der Welt eine andere Begegnungen als den Angriff zu geben.

Nautillus Verlag | 130 Seiten | Original Französisch | übersetzt von Lena Müller | Gebunden | ca. 19.99 Euro [D]


Ich habe viel von Shumona Sinha gehört, viel über besonders diesen Roman gelesen, viele Fragen und Ideen gehabt, nachdem ich den Klappentext gelesen habe. Mir schien eine gewisse Ähnlichkeit und natürlich auch grosse Differenz zu Abbas Khiders Ohrfeige (ein Buch, welches wir kürzlich besprochen haben: klick) aufzuweisen - es geht um das Asylsystem in einem Land der EU und um einen Gewaltakt. Während dieser in Ohrfeige aber verübt wird, um Worten Gehör zu verschaffen und einem Asylbewerber eine Stimme und Identität zu geben, wird hier zwar auch eine Figur vorgestellt, die viel zu sehr im ganzen System verschwindet, aber die Gewalttat verübt, weil es Worte nicht können. Und so habe ich auch den ganzen Roman ein wenig wahrgenommen - er ist natürlich gefüllt von Worten, wunderschönen und bittertraurigen Worten, aber ich habe nur Momentaufnahmen mitgenommen und kein grosses Gedanken. Ich nehme euch heute also mit auf diese wundersame Reise durch einen mir sehr komplex erscheinenden Roman - denn ich habe während dem Lesen vier Mal meine Gedanken in einer Art Lesejournal niedergeschrieben und möchte die nun mit euch teilen - ebenso wie manche Worte aus dem Roman, die mir geblieben sind, die grosse Stärke von Shumona Sinhas Schreiben, wie ich finde.

Seite 35

"Das Leben ist ein Monolog. Auch wenn man glaubt, ins Gespräch zu kommen, ist es nur das zufällige Zusammentreffen von zwei Monologen, die vielleicht ein wenig verwundert voreinander zum Stehen kommen. In den Büros trafen Fragen und Antworten aufeinander, ohne in Kontakt zu treten."

Ich fühle mich noch nicht richtig angekommen, noch nicht richtig versanden und frage mich, ob sich daran noch etwas ändern wird. Ich kann weder eine Sympathie noch eine Antipathie zur Protagonistin aussprechen und bleibe so eher verwundert. Auf extrem poetische Passagen folgen mir nicht ganz nachvollziehbar scheinende Gedankengänge. Die Spannung bleibt also, ist vielleicht sogar noch gestiegen, gleichzeitig verspüre ich keinen wirklichen Drang, weiterzulesen.

Seite 63

"Es war einer der Tage, an denen man die Hände ins Licht tauchen kann wie in Honig."

Mittlerweile, zumindest auf den letzten paar Seiten dieses Abschnitts, bin ich schon mehr angekommen und Sinhas schöne Wortetrugen mich wie als Fluss - wahrscheinlich hat dies damit zu tun, dass sie mal zusammenhängend waren - denn schön oder treffend sind sie fast immer, aber es sind wie einzelne Blütenblätter, die als Gesamtes eben keine Rose ergeben. Ich hangle mich mehr den Worten nach anstatt entlang der Handlung oder der Protagonistin. Denn auch wenn ich sie nun vielleicht besser verstehen vermag, werde ich doch nicht so richtig warm mit ihr. Da das Buch nur etwas mehr als 120 Seiten besitzt, wird es auch höchste Zeit, anzukommen - in der Mitte des Buches.


Seite 95

"Er gehört zu keinem Land. Er gehört nur sich selbst. Von Stadt zu Stadt, von Land zu Land, erinnert er sich nur an die Grenzen. [...] Er sammelt Grenzen. Er sammelt Stacheldraht, tauben Wind und Leere."

Während sich in den vorherigen Abschnitten Szenen aus ihrem Büro und Beschreibungen geographischer Tatsachen aneinanderreihten, wurde ich hier endlich von der heissersehnten Selbstreflexion der Protagonistin, die sich jedoch immer noch nicht fassen lässt, überrascht. Auf andere, physischere Weise als erwartet. Ich kann der Handlung, die sich zu verändern scheint, allerdings immer noch kaum folgen, alles fühlt sich so wirr an.

Seite 130

"[...] die man Entwicklungsländer nennt, was den Eindruck erwecken soll, es gäbe Veränderung, es gäbe Entwicklung, weil das Elend nicht nur den Elenden Angst macht, sondern auch denen, die im Warmen sitzen."

Irgendwie war das Buch nichts für mich. Und versteht mich nicht falsch, ich brauche nicht immer klar fassbare Protgonist_innen, klar fassbare Handlungen oder überhaupt irgendeinen eingrenzenden Rahmen. Ich schätze Sinhas Talent dafür, Worte klingen zu lassen - sie startete nämlich auch als Dichterin, und in diesem Genre sehe ich sie ganz eindeutig als Meisterin ihres Gebiets, ohne bloss irgendein Lyrikstück ihrerseits gelesen zu haben. Vielleicht habe ich das aber auch getan, denn so fühlt sich der ganze Roman irgendwie an. Schleierhaft, zusammenhangslos, aber schön. Das Problem ist nur, dass doch eine Geschichte, eine wundersame, erzählenswerte Geschichte dahintersteckt, dass einer Person wie ihr selbst eine Stimme zu schenken ist, und doch höre ich sie nicht - vielleicht war hier und da ein Ansatz, ein Flüstern.

Die schönen Worte rieseln wie feine Kristallsplitter durch meine geöffneten Hände, und irgendwie bleibt da leider so wenig zurück, beinahe Nichts, ein Hauch von Nichts. Kristalle riechen nicht besonders, dabei wäre ich mit einem strahlenden, blütenähnlichen Duft genauso zufrieden gewesen wie mit einem strengen, von Angst und Schmerz genährten Geruch.
Doch, da ist ein kurzer Moment, indem ich alles gleichzeitig rieche, aber dann ist das Buch auch schon vorbei. Und vielleicht hat es damit ja auch sein Ziel erreicht, so aufgewühlt, wie es mich zurücklässt.


Nous 3 ou rien, Skizzen von Lou, Worlds Apart | Filmbesprechung

15 März 2017

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Nous 3 ou rien

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Mara: 'Nous 3 ou rien'  ist ein Film, der mich ganz tief berührte. Er erzählt die wahre Geschichte der Eltern von Kheiron, welche im Film spielt und auch ihr Leben in das Drehbuch umwandelte. Ein ziemlich unglaubliches Leben.
Der französische Film kam eine Woche nach den Anschlägen in Paris ins Kino und wurde, fast wie als Zeichen, total gestürmt. Kheiron ist eigentlich Komödiant und weiss die oftmals brutale Geschichte mit subtilem und wunderschönem Humor zu schmücken. Dabei entsteht ein feinfühliges Meisterwerk, dass wohl jedem Tränen und herzhafte Lacher, Schockmomente und Gänsehaut entlocken wird.
Die Geschichte beginnt im Iran und bei der Politisierung in der Studienzeit. Unser Protagonist wird mit seinem Bruder dafür zu 10 Jahren Haft verurteilt, unter dem Schah Pahravi. Gefängnis bedeutet auch - Folter. Diese bekommt jedoch glücklicherweise nicht allzu explizit mit. Auf den Schah folgte dann die 'islamische' - islamistische Revolution unter Chomeini, welcher Hetze auf Ungläubige und Oppositionelle ansetzt. Der Film erzählt nicht nur die Geschichte einer Familie, sondern auch die eines Landes, die einer Diktatur (somit leider auch die vieler Länder). Kheiron selbst summiert schön: der Film beruht nicht auf einer wahren Geschichte, er ist eine wahre Geschichte. Ich habe den Film gleich zweimal hintereinander gesehen, weil ich ihn so toll fand. Und ich sage es immer wieder - er ist ein wahres Meisterwerk.

Skizzen von Lou

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Mara: 'Skizzen von Lou' ist ein schweizerdeutscher Film, und was für einer. Normalerweise würde ich nicht unbedingt einen Film empfehlen, den der Grossteil unseres Publikums nicht verstehen würde, aber es gibt ja Untertitel, und 'Skizzen von Lou' ist absolut sehenswert. Für mich persönlich kam alles nochmal authentischer rüber, die Sprache ist die, die ich im Alltag verwende, die Ausdrücke oft ähnlich, die Kulisse - Zürich im Sommer - so vertraut und heimelig.
Aber das alles nimmt sich dieser Film gar nicht zum Thema. Es ist vielmehr eine unkonventionelle Liebesgeschichte über eine junge Frau, die zwar mit ihren dreissig Jahren mitten im Leben steht, und doch irgendwie nicht - von der Vergangenheit gejagt wird sie sehr introvertiert und öffnet sich gegenüber Aro, mit dem sie zur Abwechslung mal eine längere Beziehung hat, der ein wenig älter als sie ist und Künstler - Skizzen von Lou fertigt er nun, versucht, sich ihre komplexe Persönlichkeit zu erklären und so driften sie von einander ab, um wieder zueinander zu finden. Solche Hin-Und-Hers mag ich eigentlich nicht wirklich, aber hier hat mich der Film in allen Ebenen überzeugen können und wirklich berührt. Wunderschöne Aufnahmen sind dabei entstanden. Es ist ein kleiner, ein ruhiger Film, wie eine zarte Blüte. Aber manchmal muss man die eher betrachten, als grosse, künstlich gewachsene Orchideen, finde ich zumindest. Und deswegen hat mich der Film auch mal wieder ermuntert und mir gezeigt, dass es mir genau darum geht. Nischenfilme, Nischenbücher zu entdecken, Kunst, die nicht grossgezeugt und gehypt werden, sondern Wunderwerke wie dieser hier.

Worlds Apart

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Mara: ...das könnte man hier nicht ganz so sagen. In seinem Ursprungsland Griechenland wurde dieser Film öfters als Star Wars im Kino gesehen, und das hat seinen Grund, dem ich jetzt mit euch gerne auf die Spur kommen würde. Gut, jetzt sind es etwa 12 Stunden später, ich komme vom Kino und von einem schönen Abendessen, welches ich gar nicht so richtig geniessen konnte, weil ich mich nach dieser Wucht von Film gar nicht mehr einkriegen konnte. Im Moment lerne ich viel über bestimmte Länder über Kultur, Filme, Bücher und Ausstellungen. Worlds Apart zeigt das aktuelle Griechenland unglaublich authentisch auf, alle Krisen und wie die unterschiedlichsten Menschen darauf reagieren. Es ist eine dreiteilige Liebesgeschichte, welche man nicht irgendwie komprimieren könnte. Denn dadurch bekamen wir völlig unterschiedliche Generationen und Schichten mit und wie sie mit dem Schrecken und Leid umgehen, der Film ist also unglaublich vielschichtig und verschönert nichts - man bekommt sehr vieles genau mit, wie man es eigentlich nicht mitbekommen wollte. Genau diese Ehrlichkeit ist es, die ich am europäischen Art-House-Kino so liebe. Und Worlds Apart ist sicher keine Ausnahme - oder irgendwie schon, denn er scheint unübertrefflich. Trotzdem gab es auch hier einige kleine Punkte, an denen ich Kritik ansetzen könnte. Beispielsweise war die Filmmusik so pompös, dass sie wie aus einem Hollywood-Liebesfilm entführt schien, und diese lauten Tönen überspielten manchmal fast die kleinen, zärtlichen Nuancen, welche die Filmkunst von 'Worlds Apart' so stark ausmachen. Schön war aber auch der Bezug zur Literatur. Die Kraft der Liebe wurde in Griechenland gezeigt, und so kam Gott Eros immer wieder zu Wort oder zu Bedeutung, genauso wie die mythische Geschichte hinter ihm - wie ein Band schlang sie sich durch unsere Protagonistinnen, die vor grossen Lebensveränderungen standen. Sei es wegen Griechenland selbst oder wegen der Liebe.

Abwesenheitsnotiz von Lisa Owens | Buchbesprechung

12 März 2017

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Wenn Claire Flanery eines weiss, dann dass sie für ihr Glück selbst verantwortlich ist. Claire ist Ende zwanzig, lebt in London undhat einen Freund, der ziemlich viel arbeitet. Sie hingegen hat ihren Job gerade gekündgt. Weil der nicht so richtig zu ihr gepasst hat. Jetzt kann sie sich endlich auf die Suche machen: nach dem Beruf, der auch Berufung ist. 
Doch dafür muss sie sich den ganz grossen Fragen stellen. Wie möchte sie ihr Leben verbringen? Ihre Grossmutter, ansonsten nie um einen Ratschlag verlegen, ist auf der Suche nach dem richtigen Leben leider auch keine grosse Hilfe: "Ich weiss noch, wie es ist, in deinem Alter zu sein - natürlich hatte ich da schon vier Kinder unter acht Jahren, aber das moderne Leben ist anders, du hast viel um die Ohren."
So treibt Claire durch die Stadt, mal mit, mal gegen den Strom, und beobachtet, was andere Leute nicht sehen können - die arbeiten ja gerade. Am Ende wird auch sie sich der alles entscheidenden Frage stellen müssen: Wer will ich sein, wenn ich sein kann, wer ich will?


Aufgefallen ist mir dieses Buch, da ich das hübsche Cover immer wieder mal entdeckte und von vielen Seiten gehört habe, dass Claire eine wahnsinnig sympathische Protagonistin ist. Was soll ich sagen - ist sie. Sie ist authentisch und witzig, emotional und ehrlich. Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr einen Tag lang nichts zu tun habt und dann auch nichts tut? In solch einer Phase befindet sich Claire nämlich während des ganzen Buches. Sie hat ihre Arbeit aufgegeben, da sie sie nicht erfüllte - wer sollte ihr das verbieten? Deswegen tut sie die meiste Zeit eigentlich auch nicht viel. Oder tritt in ein Fettnäpfchen, wie es so unschön heisst. Dennoch wird es uns mit ihr nicht langweilig. Denn sie ist kreativ.
Das Buch ist wahnsinnig nah am Leben und gibt Claires Stimmungen unmittelbar und perfekt rüber. Wenn ihr unwillig zumute ist, dann ist der Abschnitt auch kurz. So ist der Schreibstil ehrlich und unverkennbar einer, der einem jungem Mensch gehört, der mitten im Leben steht. Im Verändern und Erfahren, Täuschen und Erkennen. Man kann sich köstlich amüsieren und fühlt sich emotional dennoch sehr tief mit Claire verbunden - mir ging es jedenfalls so. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendjemandem anders gehen sollte.
Die Charaktere und der Schreibstil machen den stärksten Teil des Buches aus. An Handlung gab es leider nicht viel, dafür umso mehr Inhalt. Und ich merke in letzter Zeit zwar, dass mir dieser viel wichtiger ist als Handlung, trotzdem wünsche ich mir ab und zu einen Spannungsbogen. Der war meiner Meinung nach hier nicht unbedingt so enthalten, wie er es hätte sein können. Die Geschichte plätscherte immer so ein wenig vor sich hin, hatte zwar dank des Schreibstils einen Fluss, aber trotzdem fehlte das gewisse Extra, welches das Buch herausstechen lassen würde. Was ich mit dem Inhalt meine, ist aber die Bedeutung, die immer verhalten zwischen den Zeilen stand und mir ans Herz wuchs. Das Buch ist nicht aufdringlich, im Gegenteil. Aber wenn man dann danach greift, offenbart sich einem eine Geschichte, die aus unserem Leben gegriffen sein könnte - oder einer Parallelversion davon. Wie auch immer, mich begeisterte die Lässigkeit des Romans.

buchhandlung am hottingerplatz

10 März 2017

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Die erste Buchhandlung, die wir euch gerne in unserem neuem Format vorstellen möchten ist die Buchhandlung am Hottingerplatz. Sie ist sehr hell und in weissen Tönen relativ schlicht gehalten. Die Bücher befinden sich in Regalen oder auf kleinen Holzkommoden im ganzen Laden verteilt. Dabei sind gebundene Bücher von Taschenbüchern getrennt, was man ja sonst nicht oft sieht. Schmökern und Verweilen kann man definitiv lange und gerne in diesem Laden, denn Sitzmöglichkeiten sind vorhanden. Nicht besonders viele, aber da der Laden nicht von Menschenmassen gestürmt wird, lässt sich bestimmt ein Plätzchen finden! Es lohnt sich also durchaus etwas zu bleiben um  ein wenig im gewünschten Buch herumzublättern und sich vor dem Kauf etwas reinzulesen. Die Buchhandlung befindet sich in Zürich Hottingen, eigentlich ist das eher ein Wohnquartier, aber einige sehenswerte Läden gibt es gerade um den Hottingerplatz trotzdem. Die Beratung ist fantastisch, die Atmosphäre sehr angenehm und der Service besonders toll. Es ist beispielsweise möglich, eine Mail von der Buchhandlung zu erhalten, wenn eine Lieblingsautorin oder ein Lieblingsautor einen neuen Roman veröffentlicht - dieser ist dann auch zur Ansicht hinterlegt. Ebenfalls gibt es eine so genannte Bücherabo-Funktion. Dabei erhält man jede Monat, alle zwei Monate oder vierteljährlich ein Buch, welches die Mitarbeiter_innen der Buchandlung besonders empfehlen. Das Genre kann selber ausgewählt werden. Die Bücher werden einem direkt nachhause geschickt, oder liegen im Laden bereit zur Abholung. Natürlich gibt es auch eine Wahl des sogenannten 'besonderen Buches', welches ein bunter Mix aus allen Sparten verspricht. Ist das nicht ausserordentlich kreativ? 


Allgemein ist für eine Abwechslung der Bücher gesorgt, es steht zum Beispiel eine grosse Aswahl aktueller politischer Bücher zum Kauf bereit. Wie ihr denken könnt, entspricht das natürlich genau unseren Vorstellungen einer guten Buchhandlung. Von Bestsellern, Klassikern bis hin zu Fachliteratur und Besonderheiten ist alles zu finden, aber besonders gefällt uns die exzellente und individuelle Auswahl an Romanen mit Fokus auf nicht allzu sehr gehypter Belletristik. Leider merkt man, im Laden angekommen, dass das eben der grossen Masse nicht immer so entspricht. An einem Samstag Nachmittag waren wir beide während etwa einer halben Stunde fast die einzigen Gäste.
Die Schaufenster sind ebenfalls etwas spezieller angeordnet; sie sind nämlich thematisch dekoriert. Beinahe jedes Mal wenn ich daran vorbeigehe, was meistens auf dem Weg in meinen Theaterkurs in der Nähe einmal pro Woche ist, ist es ein anderes. Das Schaufenster schafft es immer wieder aufs Neue ein Blickfang zu sein. In der Buchhandlung werden auch Lesungen und andere Veranstaltungen organisiert. Auf der Webseite  werden aktuelle Bücher als Tipps empfohlen. Momentan sind dort zum Beispiel Lukas Bärfuss neustes Buch Hagard sowie Martin Suters Elefant auf der Startseite zu finden, aber es lohnt sich sowieso, auf der Website mal vorbeizuschauen. Die buchah (Buchhandlung am Hottingerplatz), wie die Buchhandlung am Hottingerplatz ebenfalls genannt wird, lässt in den Porträts der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen durchblicken, dass ihnen der Kontakt mit den Menschen unglaublich wichtig ist. Sie erachten es als Privileg in diesem Geschäft zu arbeiten und finden es wundervoll, wenn sie neue Leute kennenlernen und diese zum Lesen motivieren können. Wir haben uns direkt zu Hause gefühlt und möchten diesen Buchladen gerne (weiterhin) unterstützen und uns länger dort herumtreiben. 

Buchhandlung am Hottingerplatz
Hottingerstrasse 44
Zürich

www.buchah.ch

Besonderheiten 
+ Bücher-Abos möglich
+ viel Fachliteratur und politisch motvierte Bücher und Textsammlungen zu finden
+ thematisch sortierte Schaufenster
+ eine grosse Auswahl an Post- und Kunstkarten
+ lädt zum Verweilen ein mit gemütlichen Sitzmöglichkeiten
+ sehr heller, offene Räumlichkeit
+ eigene Auswahl an Romanen, bei der man schnell Schätze entdecken kann
+ besonderer Service mit Berichterstattung, wenn Lieblingsautor_innen etwas Neues veröffentlichen 





Wir würden uns sehr freuen, wenn ihr uns in den Kommentaren mitteilen würdet, wie ihr unser neues Format findet, und natürlich, ob wir eure Lust geweckt haben! Würdet ihr einmal in Zürich, diese Buchhandlung aufsuchen?

1000 Peitschenhiebe, weil ich sage, was ich denke | Raif Badawi

08 März 2017

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Das wird keine gewöhnliche Buchbesprechung, denn '1000 Peitschenhiebe' ist auch kein gewöhnliches Buch. Denn in diesem Buch sind die Worte, die Raif Badawi so gekonnt aneinandergereiht hat und damit sein Land sorgfältig seziert hat und auf den Grund gekommen ist, um dafür 1000 Peitschenhiebe zu bekommen. Und 10 Jahre Haftstrafe. Und eine Geldbusse. Noch dazu wurde er von seiner Familie getrennt, seine Frau Enrah und ihre beiden drei Kinder unterstützen Raid Badawi so gut es geht von Kanada aus.

Ihr habt bestimmt alle schon von ihm gehört, und sogar in unserer vergleichsweise kleinen Stadt Zürich gab es eine ziemlich beindruckend lange Zeit über alle drei Wochen eine Mahnwache an zentraler Lage, um auf das Leiden Badawis aufmerksam zu machen, um den Passanten zu zeigen, welches Schrecken abseits unserer so sicheren europäischen Grenzen liegt. Das ist den meisten natürlich bewusst, genauso wie die Brutalität, mit dem Saudi-Arabien regiert wird. Und doch lernte ich in diesem Buch viel Neues, viel Atemberaubendes über dieses Land. Tatsächlich hat mir einiges den Atem verschlagen - beispielsweise schildert er die erste Buchmesse, an welche Frauen sowie Männer, sogar gleichzeitig, zugelassen wurden. In der Gegenwart. Das ist einfach unglaublich.

Ebenso unglaublich ist, dass Raif Badawi eingesperrt wird. Was er tut ist mutig und für das Land bestimmt linksextrem, nehmen wir seine Texte hier eher für gewöhnlich auf, wenn man sie mit provokanten Texten hierzulande vergleicht. Aber für sein Land ist er eine Ausnahme, sprengt er Grenzen und hat deswegen auch eine Bestrafung 'verdient', wie Saudi-Arabien anordnete. Mich schockierte wirklich, dass seine Stellungsnahmen in den Texten gar nicht so radikal waren, wie ich sie mir vorgestellt habe. Und das relativierte nochmals ganz stark meine Vorstellung von Saudi-Arabien, neben allem, was ich nun über das Land weiss.

"Diese Streitschrift versammelt die zentralen, verbotenen Texte Badawis. Sie zeigen die Spannungen zwischen einer traditionellen Auslegung des Islam und dem Anspruch auf ein selbstbestimmtes Leben in der Gegenwart. Badawi fordert Liberalismus, Toleranz, Pluralität, Meinungsfreiheit und Menschenrechte - weil sonst die arabisch-islamische Welt verloren ist." steht hinten auf dem Buch geschrieben. Das beschreibt zwar Badawis Texte und Meinungen ganz gut, dennoch fühlte sich nicht alles beim Lesen gut an - immer wieder war ich verwirrt oder stimmte ganz einfach nicht zu, was zum Beispiel schon im Vorwort von Constatin Schreiber für Aussagen getätigt wurden. Denn wenn Raif Badawi gelobt wird, werden im gleichen Atemzug andere Denker wie ihn kritisiert, weil sie sich 'auf und davon' gemacht haben, weil sie nicht vor Ort für ihre Freiheit gekämpft haben, sondern das Land verlassen haben. Und ja, damit vielleicht egoistisch sind. Aber kann man es ihnen wirklich vorwerfen, wenn man selbst noch nie in einem Land wie Saudi-Arabien, oder nein, einfach in Saudi-Arabien selbst gelebt hat? Natürlich zeugt das von Badawis Mut und Andersartigkeit, allerdings habe ich eben auch Mühe mit solchen Äusserungen.


Das Buch oder die Texte darin sind in vier Kapitel eingeteilt,
I: Terror, Krieg und Frieden - Islam, Scharia und Politik
II: Leben und leben lassen - Liberalismus und Gesellschaft
III: 1001 Rotlichnacht - Zum Verhältnis von Männern und Frauen
VI: Kultur des Todes - Nahost-Politik und Arabischer Frühling

Im ersten Kapitel bekommen wir so bisschen mit, wie das Leben dort funktioniert, wie eng Politik und Religion miteinander verwoben, verworren sind und wie besonders die einfachen Menschen so mir nichts, dir nichts täglich von den Medien in ein völlig verschobenes Weltbild gesetzt werden und stark beeinflusst werden von all den Lügen, die sie wissentlich von sich geben. Er begegnet dem mal mit Sarkasmus, mal mit offener Schockiertheit - aber schockiert sind wir Unwissenden allemal mehr.

Das zweite Kapitel, welche sich vor allem mit Liberalismus beschäftigt, muss man wieder distanzierter betrachten. Es geht einerseits gar nicht um den hier oft wirtschaftlich konotierten Liberalismus, sondern wirklich um die politische Haltung - beides kann ich so nicht immer unterschreiben und sehe sie hier auch als 'mittiges Ding' an, für Saudi-Arabien wäre aber etwas nahe dem Liberalismus unglaublich fortschrittlich, und das begründet er auch gut.

Das Verhältnis zwischen Frauen und Männern, welches hier angespochen wird, ist immer sehr spezifisch. Er erklärt uns gut einige unglaublich patriarchalische Grundzüge Saudi-Arabiens und zum Beispiel unvorstellbare Eheschliessungen, die so aber sogar gesetzlich verankert sind. Es ist wirklich unglaublich, wie rückschrittlich dieser Staat ist, so oft dürfen Frauen dort nicht arbeiten.

Kapitel Vier und Abschluss des Buches plädiert eigentlich gegen seinen Titel für eine Kultur des Lebens und wünscht sich eine schönere, buntere, frühlingshaftere Zukunft für Saudi-Arabien.

Ich möchte euch das Buch wirklich ans Herzen legen - bei den Ullstein Streitschriften erschienen, ist das Buch allerdings ein Non-Profit Projekt, was bedeutet, das der Erlös oder Umsatz komplett dem Autor zugute kommt, was ich sehr unterstützenswert finde. Denn was hier geschieht, ist etwas ganz anderes, was dort geschieht. Wir können, teilweise leider, teilweise zum Glück, unsere Aufklärung nicht auf das Land dort übertragen, wir müssen sogar einem so schrecklich rückschrittlichen Land wie Saudi-Arabien die Zeit geben, um sich umzustrukturieren, sich umzuwandeln und Intellektuelle wie Raid Badawi zu gebären. Andererseits wäre die Aufklärung nämlich nicht echt und könnte in Sekundeschnelle wie ein Luftschloss zerplatzen. Das Einizige, was wir tatsächlich tun können und tun müssen, so überzeugt hinterlässt mich dieses Buch, ist, die Tatsache zu akzeptieren und Rebellen vor Ort zu unterstützen, indem wir sie lesen, indem wir sie zu verstehen versuchen, in dem wir den Kampf dort verfolgen und sein Bestes wünschen.


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