wenn ihr uns findet

12 April 2016

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Eigentlich sind sie immer klargekommen, findet Carey, die sich um ihre kleine Schwester Jenessa kümmert, seit sie denken kann. Manchmal ist der Alltag zwar etwas hart, in einem Wohnwagen mitten im  Wald und mit einer Mom, die oft nicht da ist. Aber meistens kommen sie zurecht. Bis Carey und Jenessa eines Tages zu ihrem Vater ziehen müssen, den sie gar nicht kennen. Die Einsamkeit und Stille des Waldes weichen einem aufregenden neuen Leben.  Schule, Dates, gemeinsame Mahlzeiten und Ausflüge mit der Familie: Was anderen völlig normal erscheint, macht für die Mädchen jeden Tag zu einem neuen Abenteuer. Und zu einer grossen Herausforderung, denn gerade Carey kann sich nicht so schnell von der Vergangenheit lösen. Immer war sie die Starke, die Jenessa beschützt hat. Ein einziges Mal hat sie versagt und die Ereignisse jener sternenklaren Nacht tief in ihrem Herzen verschlossen. Doch um in ihrem neuen Leben anzukommen, muss Carey sich selbst vergeben.


Dieses Exemplar hier ist ein klassisches Beispiel für die Sparte an Büchern, die ich mir vor Jahren (!) zugelegt habe und unbedingt lesen wollte - schliesslich lobten es alle in den Himmel -, aber dann doch tatsächlich erst einige Zeit später wirklich dazukomme. Ich war neugierig und gespannt, war genau in der richtigen Stimmung für eine etwas aufregendere Geschichte und war erstmal angetan, vom lockeren und leichten Schreibstil, der mich nur so durch die Seiten fliegen liess. Aber ich konnte von der ersten Seite an keine wirkliche Verbindung zu den Charakteren und überhaupt dem ganzen Buch feststellen.

"Die besten Sachen auf der Welt gibt's fast für umsonst, sagt Mama immer.
Wie zum Beispiel das gleissende Morgenlicht, das wie Diamanten über die Wasseroberfäche
unseres Flüsschens tanzt. Oder der Fluss selbst, der den ganzen Tag lang Musik vor sich
hin brabbelt, so wie Nessa als Baby. Glück is' umsonst, sagt Mama."


Dabei sind einige der Ideen sehr gut umgesetzt und die Ausarbeitung der Charaktere auch sehr feinsinnig. So ist Carey sehr schlau, aber doch auch immer wieder wahnsinnig naiv und leichtgläubig. Was vielleicht einfach mit der fehlenden Erfahrung zusammenhängt. Aber diese beiden Polen wurden immer wieder ausgehoben und in die Extreme verfrachtet, etwas, was ich nicht leiden kann, weil das nicht wirklich real ist. Die Mischung sehr kluger und doch auch naiver Denkensweise gibt es oft, aber die Trennlinie ist oft nur sehr fein sichtbar. Hier gab es einige Stellen, an der ich das Buch stirnrunzelnd zur Seite gelegt habe, da ich einfach nicht damit zurecht kam, wie Careys Handlungen oder Äusserungen, unabhängig vom tatsächlichen Inhalt, beschrieben wurden.

"Es stimmt: Wir hatten  nicht viel. Kein schickes Haus, teure Kleider oder
Sachen zum Angeben. Aber ich hab immer darauf geachtet, dass wir sauber sind.
Sauber bedeutet frei."




Irgendwie fehlte mir der Geschichte einfach an Substanz und Details. Das grosse Vorher (leben im Wald) sowie das grössere Nachher (in der zivilisierten Gesellschaft und den völlig fremden Sitten und Gegenständen) wurden ziemlich reduziert, es wurde einiges ausgelassen. Und vieles wurde beschönigt. Versteht mich nicht falsch, es geschahen schreckliche Dinge in der Vergangenheit der zwei Mädchen, jedoch waren mir diese Dinge zu sehr auf die Spitze getrieben. Es war dann immer ein Schlag. So fehlte der Geschichte einfach an Substanz. Das sind für mich diese Momente, in denen etwas nicht schwarz oder weiss ist, die feinfühligen und dadurch viel emotionaleren Momente. Es wurde mir in diesem Buch zu selten differenziert. So war die Beziehung der Schwestern einfach unglaublich eng, aber etwaige Abweichungen oder Sonderheiten mangelten Stark, was der Geschichte wieder an Authentizität und auch Fluss raubte. 

"Vermutlich kann man zwar das Mädchen aus dem Wald holen,
aber nicht den Wald aus dem Mädchen."

Das ich das Buch als nicht wirklich gut empfand, hat wohl einige Gründe seitens des Buches, aber auch ich ging nicht unvoreingenommen daran ran. So hatte ich aufgrund all dieser positiven Meinungen sehr hohe Erwartungen. Und ich hatte kurz zuvor Room gesehen, bei diesem das Setting ganz anders war, die Geschichte aber eine ähnliche. Da wurden keine Details ausgelassen und alles war wahnsinnig vielschichtig und hatte so viel mehr Dimension. Natürlich war dies ein Film und es hat vielleicht auch mit dem Alters- und Geschlechterunterschied zu tun, aber es machte mich regelrecht wütend, als Careys neuen Leben fast schon beschränkt wurde auf Glitzerjeans, Dates und Partys. Das finde ich auch woanders, wenn ich Ablenkung brauch. Und tiefgründig ist dieser Roman meiner Meinung nach, bis auf die paar schönen Textstellen, die ich euch rausgesucht habe, halt einfach nicht.


Emily Murdochs Leidenschaft sind gute Geschichten. Entweder sie liest gerade eine oder sie schreib selbst. Wenn ihr uns findet ist ihr Debutroman, der in den USA von der Presse gefeiert wurde. Mit ihrer Familie und zahlreichen Haustieren (unter anderem etlichen Pferden, die sie vor dem Schlachter gerettet hat) lebt sie auf einer Farm in Arizona.

Heyne fliegt / 305 Seiten / Gebunden / 16.99 Euro [D]
'If You Find Me' / Englisch  / Julia Walther
2 Kommentare
  1. Schade eigentlich, klingt das Buch doch eigentlich wirklich interessant... Vor allem bzgl. der ähnlichen Thematik zu "Raum/Room", welches mich wirklich auch sehr interessiert. Hast du denn das gleichnamige Buch auch gelesen? Ich überlege schon seit einer Weile, ob ich es mir zulegen und vor dem Film lesen sollte...

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    1. Ja, liebe Livi, finde ich auch. Raum aber hat mich absolut von sich überzeugt, der Film bisher jedenfalls. Das Buch befindet sich zwar nicht in meinem Besitz, aber ziemlich weit oben auf meiner Wunschliste. Ich möchte es auch noch gerne lesen!

      Herzlichst,
      Mara

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