das unvollendete leben der addison stone | rezension

04 November 2015

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Addison Stone ist eine junge, wunderschöne, wilde Künstlerin, die in New York angesagte Kunstwerke in Szene setzt -  ein gefeiertes, geliebtes Wunderkind und ein beneidetet Star. Doch dann stürzt sie von der Manhattan Bridge in den Tod. Sie ist erst achtzehn Jahre alt. War es ein Unfall? Selbstmord? Oder Mord?

Das unvollendete Leben der Addison Stone von Adele Griffin


Genre: Contemporary • Verlag: cbt Verlag • Seiten: 220 Seiten • Fassung: broschierte Ausgabe • Original: The Unfinished Life of Addison Stone, Englisch • Übersetzerin: Anja Hansen-Schmidt • Preis: ca. 15 Euro [D]

"Ich begegnete Addison Stone nur ein einziges Mal."

Zuallererst möchte ich euch die einzigartige Idee hinter dieser Neuerscheinung vorstellen: Adele Griffin hat für dieses Buch nämlich ein Leben erfunden. Alle Autorinnen und Autoren machen das, natürlich, aber in Das unvollendete Leben der Addison Stone wird die Geschichte einer Künstlerin erzählt, von ihrer Kindheit bis zum rätselhaften Tod, der genauso zu ihrer geheimnisvollen und verzaubernden Erscheinung gepasst hat. Der Spannungsbogen ist in dem Sinn nicht da - es wird nicht darauf abgezielt, einen Höhepunkt zu haben. In diesem Buch bekamen auch deutlich mehr Menschen eine Stimme, als in vielen anderen Multiperspektivisch erzählten Romanen, denn alle Personen, die auch nur für winzige Momente einen Raum, ein Projekt oder ein Lebensabschnitt mit Addison geteilt haben, erzählen ihre Wahrnehmung von der grossen Protagonistin in diesem Roman, die selbst nie wirklich zu Wort kommt. Das Buch ist aufgebaut, als würde es das echte Leben nacherzählen, es gibt zahlreiche Fotos und eine Biografie auf eine andere Weise wurde geschaffen. 

Die Person dafür könnte nicht besser gewählt werden. Addison Stone hat ihr ganzes Leben noch vor sich, tausende Ideen und doch eine gewisse Leere in sich, als sie endlich nach New York kann. Dort angekommen webt sie sich ein Netz aus Menschen, dass sie halten soll, wenn sie fällt. Und sie kippt mehrmals, und man bekommt es mit. Denn die Menschen, die dieses Netz gebildet haben, oder noch immer in stiller Trauer bilden, sind es, die zu Wort kommen. Addison ist eine junge Künstlerin, eine junge Frau mit verrückten Ideen, sie ist so vieles auf einmal und doch auf eine gewisse Weise in sich beschränkt, sie schafft es nicht wirklich, auszubrechen.







Die vielen Fotos, die Aufnahmen, die extra für das Buch gefertigt wurden, sollen ein genaueres Bild von Addison und ihren Freunden, ihrer Familie und auch ihren Feinden machen. Sie wird in dem Buch kritisiert und gelobt, sie wird hochgelebt und sie wird zu Boden getrampelt, weil ihr Leben und ihre Psyche auf und ab ging. Sie ist ein ganz spannender Charakter, beschrieben als glorreicher und glamuröser Kunststar, der genau weiss was er tut, und wenn man sie dann auf die nächste Weise kennenlernt, ihre Zerbrochenheit, ihre Unsicherheit, dann wünscht man sich, alles von ihr geschildert zu bekommen. Ihre Lebensfreude und Neugier auf die Welt ist ansteckend, ihre Tiefpunkt herzzerreissend. Selten wurde ein fiktives Leben aus solch vielen Stimmen so wunderbar und farbig geschildert, und selten hat mich eine junge Frau so gepackt und inspiriert, auch wenn es sie nicht gab. Ich liebte die Kunst, wie sie beschrieben wurde in diesem Buch, wie die vielen Menschen sie differenziert aufnahmen und wiedergaben, etwas anderes sahen und sich doch in einem sicher waren: in Addisons Talent. Auf welches sie sich zu Anfang beruhte. Sie hatte ihre Kunst gemacht, sich in ihren Tempo entwickelt, und plötzlich wurde es ihr dann zu klein und zu eng. Sie wollte in eine Grossstadt, Kunstaktionen, so verboten sie auch waren, durchführen, mitten in der Nacht und am hellichten Tag. Und doch war die Stadt und ihre Tücken zu gross, so dass sie immer wieder stolperte und schlussendlich vielleicht auch fiel. Ich selbst habe sie ganz anders erwartet, bescheidener, stilvoller, aussergewöhnlicher. Aber das Buch hat mir gezeigt, dass es solche Menschen nicht wirklich gibt, denn es steckt so viel Leben und Erfahrung hinter jeder Person, die im Sekundentakt an uns vorbeieilen, so viel, von dem wir nicht wissen. Bei Addison durften wir Zeugen werden. Und doch hat sie niemand gekannt, sie selbst nicht und in gewisser Weise auch die Personen um sie nicht. Sie konnte fies sein, sie hat falsche Dinge getan. Und das zu wissen, ist wahnsinnig erleichternd und bildet auch die wirklich tiefergehende Menschlichkeit in der Persönlichkeit von Addison Stone. So schaffte die Autorin es, Addisons Verlangen, ihre Phasen und ihr Leiden sehr authenthisch zu gestalten.

Und sie weckte das starke Bedürfnis in mir, Orginialzeilen von Addison lesen zu dürfen. Das Buch ist auf fiktiven Interview aufgebaut, und man merkt schnell, dass die nicht von den unterschiedlichsten Personen stammen, sondern von einer Autorin. Der Erzählstil ähnelt sich und die eigenen Erzählungen gehen zu sehr ins Detail und verraten zu viel. Trotzdem gibt das Buch alles in allem ein schönes Bild ab und zeichnet Addison sehr genau. Leider empfand ich den Schreibstil aber nie als aussergewöhnlich und konnte auch nirgends wirklich ein Zitat finden, welches ich erwähnen möchte. 

Die Aufmachung des Buches verdient sich regelrecht einen eigenen, intensiv besprochenen Part in meiner Rezension. Für die Rolle der Addison wurde ein Model ausgesucht, welches sie und gewisse Szenen in ihrem Leben darstellen durfte. Sehr passend gewählt! Ich mochte die unterschiedlichen Illustrationen und Fotografien, auch wenn man sehr verschiedene Stile in den Skizzen und Malereien der jungen Künstlerin erkennen konnte. Auch New York wird lebhaft bebildert, die Orte und besondere Momente mit den verschiedensten Menschen. Diese Fotos geben dem Buch nochmals mehr Charakter, klar, rauben vielleicht die Fantasie, da mir Addisons Werke nicht so gefielen, ihre Denkweise und wie sie über Kunst redete jedoch schon, aber sie machen auch nochmals klar deutlich, wie sehr sich alle für dieses Buch ins Zeug gelegt haben und was für eine schönes, grosses Buch das geworden ist. Dazu möchte ich auch noch den Trailer erwähnen, den ich euch hier einblende - schaut ihn euch sehr gerne an, ich finde, er repräsentiert das Buch nicht nur gut, sondern ist auch sonst einfach wunderschön anzuschauen!


Die Hochphasen von Addison waren definitiv mein liebster Part - wunderschön zu lesen. Ihre Kunst, ihre Ideen dazu, die Entwicklungsphase und der Applaus oder das Verzehen danach. Wenn sie etwas Verrücktes umsetzt, wenn sie auf sich selbst vertraut und baut und ihr die anderen Meinungen egal sind, wenn sie für sich schaut und glücklich war und alle mit diesem Glück ansteckte. Die anderen Szenen waren manchmal vielleicht zu überzeichnet, mussten ein krasses Gegengewicht abgeben, um diese junge Frau, die viel zu tief geprägt und viel zu erfahren für ihr Alter scheint, realistisch wirken zu lassen. Jedoch empfand ich ihr Leben nie als zu konstruiert, was vielleicht auch daran lag, dass man die vielen verschiedenen Seiten von ihr kennenlernte. Und das machte diesen Charakter auch aus. Sie selber kannte sich wohl nie so gut, aber alle Figuren um sie herum kannten mehrere ihrer Charakterzüge so gut, dass Addison durch ihre Erzählungen ein letztes Mal zum Leben erwacht ist.

Trotz all den tollen Besonderheiten des Buches, die man während des Lesens gespürt hat und die ich auch unbedingt herausstreichen wollte, habe ich auch einige Kritik anzubringen. Denn so gut das Buch auch ist, war es stellenweise einfach nichs Neues. Die Erzählstimmen haben sich wiederholt oder sich widersprochen, was im Prozess von vielen Interview mit unterschiedlichen Personen über das gleiche Thema wohl ganz natürlich und unvermeidbar ist, aber beim Lesen nahm ich diesen Aspekt manchmal störend dar. Wie ich auch oft gedacht habe, dass das wohl keine echten Interviews sind und wahrscheinlich keiner sich bereiterklärt hätte, so kurz nach dem Tod einer geliebten Person darüber und über alle anderen intimsten Gespräche zu sprechen. Der Klappentext wirkt vielleicht ein bisschen irreführend, denn das Geheimnis des Todes von Addison Stone stand nie als solches im Raum und wurde auch nicht so heftigst hinterfragt. Und noch dazu kommt, dass einige Dinge von manchen Personen schon halbwegs angedeutet wurden, um danach von einer Person erzählt zu werden, was dann deutlich an Effekt verlor. Anscheinend wollte die Autorin damit zeigen, dass die Geschichte gut durchdacht war, hat sich aber selbst ein bisschen ihre Wendungen unattraktiver gemacht. Das Buch hat sich eine schwere Aufgabe gegeben, die Grundidee ist wundervoll und die Geschichte ist schön und sorgfältig ausgearbeitet, jedoch konnte das Buch dieser Aufgabe nicht immer vollständig nachkommen und ich kann nicht nur im Positiven über das Buch sprechen. Falls euch Kunst, deren Szene in New York und das Leben einer jungen, intensiv im Moment lebenden Frau sowie ihre Gedanken interessiert, dann werdet ihr das Buch aber trotzdem geniessen, schon allein der speziellen Aufmachung wegen! 

Adele Griffins von der Presse hochgelobte Kinder- und Jugendromane wurden mehrfach für den National Book Award nominiert und gwannen unter anderem den ALA Best Book for Young Adults Award. Das unvollendete Leben der Addison Stone landete gleich mehrfach auf Bestenlisten, u.a. von Booklist und Romantic Times. Heute lebt und arbeitet Adele Griffin mit ihrem Mann Erich, ihren zwei kleinen Kindern und ihrem Hund Edith in Brooklyn, New York.
 
13 Kommentare
  1. Eine tolle Rezension hast du da geschrieben, liebe Mara! Das Buch subbt bereits bei mir und jetzt freue ich mich noch viel mehr auf die Lektüre :) Der Booktrailer ist richtig gut gemacht und macht Lust auf mehr, danke fürs einbinden ;)

    Alles Liebe,
    Lea ♥

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    1. Vielen vielen Dank, liebe Lea! Das kannst du gerne, ich möchte es, wie erwähnt, total! Ja, auch ich bin total Fan von diesem Buchtrailer, sehr gerne!

      Herzlichst,
      Mara

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  2. Wunderbare Rezension! Das Buch könnte wirklich interessant sein. Die Grundidee klingt jedenfalls total außergewöhnlich, weswegen ich mir das Buch definitiv merken und vielleicht sogar kaufen werde.

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    1. Liebe Cora, danke!! Ja, die Idee ist spannend und die Umsetzung grösstenteils gelungen, einige Makel hier und da rauben aber dem Buch nicht diesen besonderen Status! Ich freue mich, was du dazu sagst! Herzlichst, Mara

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  3. Ui, das klingt wirklich interessant!

    Ghost

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  4. Eine sehr schöne Rezension! Das Buch möchte ich auch unbedingt diesen Monat noch lesen und bin selbst sehr gespannt was mich erwartet.

    LG Piglet ♥

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    1. Dankedanke, liebe Piglet! Oh ja, ich bin gespannt, ob unsere Meinungen einander überschneiden oder du mehr / weniger angetan bist! Aber natürlich hoffe ich, dass du die Lektüre in vollen Zügen geniesst!

      Herzlichst,
      Mara

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  5. Hallo Mara,

    wow, du hast mich mit deiner Rezension richtig neugierig auf das Buch gemacht :D
    Ich glaube, das lasse ich nicht mehr allzu lange auf der Wunschliste, denn nachdem ich die Leseprobe gelesen habe, will ich natürlich auch wissen, wie es weitergeht :)

    Liebe Grüße,
    Bianca

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    1. Oh cool, dass dir die Leseprobe gefallen hat und auch die Rezension. Vielen Dank für deine lieben Worte. Bin dann gespannt zu hören, wie es dir gefällt!

      Liebst,
      Mara

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  6. Hallo nochmal :)

    ich habe jetzt auch eine Rezension zu diesem schönen Roman verfasst und sich als meine "Inspiration" verlinkt. Ich hoffe, das ist für dich in Ordnung?

    Liebste Grüße,
    Bianca

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    1. Liebste Bianca,
      sehr gerne lese ich mir gleich mal deine Rezension durch und fühle mich im Voraus schon sehr geehrt, erwähnt zu werden, klar darfst du das!

      Allerliebst,
      Mara

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  7. Hey,
    ich habe das Buch geliebt, als ich es vor ein paar Wochen gelesen habe :) Aber gut, dass ich mir deine schöne Rezi durchgelesen habe, denn das Video kannte ich noch gar nicht :D Ich finde, dass Addison als Persönlichkeit sehr gut dargestellt in deiner Rezi, ein echt besonderer & außergewöhnlicher Charakter :)
    Lg Callie

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