just kids | buchbesprechung

04 Oktober 2017

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Patti Smith entführt und in 'Just Kids' in eine ganz andere Welt, in eine Welt voller Kunst und Liebe, die aber dennoch nicht kitschig ist. Es ist New York, Anfang der 70er Jahre und Patti Smith trifft auf Robert Mapplethorpe. Ein Neuanfang scheint wie vorgegeben zu sein, Altlasten werden vergessen. Hier kann man sich erfinden, hier kann man sich ausprobieren. Und genau das machen die beiden gemeinsam. Sie stürzen sich ins gemeinsame Leben, ein Leben für die Kunst. Genau das macht den Charme dieses Buches aus. Die Liebe, die Kunst, das Leben. New York. Und Patti Smiths einzigartige Erzählstimme, deren Rauheit an ihre Songs erinnert. Es ist nicht immer so schön oder glatt, wie man es erwartet, wie es klingt. Zwischen manchen Häuserblocks von New York verbergen sich Chancen, hinter vielen aber auch Abgründe und Zwischenspalte.


Das Buch entwickelt sich relativ schnell in eine gewisse Art von Name Dropping. Zumindest, wenn man sich weder für New York, das Chelsea Hotel oder die blühende Kunstszene interessiert. Ansonsten ergeben sich daraus einige spannende und schicksalhafte Begebenheiten und Begegnungen, die uns und vor allem Patti Smith noch lange verfolgen. Sie schildert diese, indem sie erzählt, was sie in ihr Tagebuch schrieb. Wie sie die Menschen wahrnahm, was sie in ihnen sah und was diese in ihr sahen. So entsteht eine Art einseitiger Austausch, der aber sehr intensiv und privat ist. Sie widmet das Buch nicht nur Robert Mapplethorpe, sondern allen, denen sie begegnet ist und die sie geformt haben. Das sind aber nicht nur Menschen, gerade Reisen ins regnerische Paris haben ihren Eindruck auf der jungen Patti Smith hinterlassen und tiefe Eindrücke geschaffen. 


Schlussendlich ist es aber auch eine Liebensgeschichte. Die aussergewöhnlichste, die das Leben je schrieb - die zwischen Mapplethorpe und Smith, die vor Zuneigung und Zärtlichkeit erzitterte und die immer wieder vom Schleier, der aus Wahrheit und Lügen geknüpft ist, vernebelt wurde. Dennoch ist sie wunderschön und ein ganzes Buch wert, mindestens. Es sind die kleinen Dinge, die mich berührten, die Patti Smith so geschickt in ihren Roman einzubauen weiss. Aber es ist auch dieses grosse Ding, diese grosse Stadt, diese grosse Liebe - von der ein winziges, aber dennoch enorm grosses Stück in diesem Buch steckt.

Ich möchte gerne noch eine kleine Anmerkung machen. Ich habe das Buch auf Deutsch gelesen, das Original erschien natürlich auf Englisch. Dort wird immer wieder der Ausdruck 'gypsy' verwendet, welcher im Deutschen als 'Hippie' übersetzt wird. Während Hippie ähnlich wie 'Bohemian' einen Lebensstil beschreiben kann, ist 'gypsy' die Bezeichnung für die nomadische Gruppe der Romani. Der Begriff wurde als Beleidigung verwendet, weswegen es politisch inkorrekt ist, ihn für eine einfache Bezeichnung eines etwas freien und wilden Lebensstils zu verwenden. Darauf aufmerksam gemacht hat mich Anna und ich bin ihr sehr dankbar dafür!

Just Kids von Patti Smith, Deutsch von Clara Drechsler und Harald Hellmann



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