wie wir leben wollen | buchbesprechung

25 Januar 2017

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Ein Buch, das gelesen werden muss. Mit einer Botschaft, die verstanden und verbreitet werden muss. Ein literarisches Meisterwerk. Eine Buchbesprechung, die mir am Herzen liegt.


Warum bin ich in dieses Land gekommen? Was soll ich hier? Und wovor fürchtet ihr euch eigentlich? Hunderttausende Menschen suchen derzeit Zuflucht in Europa. Eine junge Generation von Autorinnen und Autoren will herausfinden, was in dieser neuen Lebensrealität Heimat, Fremde und Identität bedeuten - für die aus ihren Ländern Geflüchteten ebenso wie für uns. In literarischen und essayistischen Texten Zeichen sie voll Sehnsucht, Wut und Engagement ein Bild unserer Gesellschaft, wie es aktueller nicht sein könnte.

Wie wir leben wollen ist definitiv ein neues Lieblingsbuch mit einer Botschaft, die - wie wir Jugendlichen heute so schön sagen - slayt (eigentlich erschreckend, dass die Übersetzung vom Englischen 'to slay' jemanden umbringen / erschlagen / ermorden heisst und wir es trotzdem mit etwas durchaus positivem assoziieren). Dieses Werk, ist echt etwas besonders. Ich habe selten ein Buch gelesen, bei dem einfach alles gestimmt hat. Noch viel wunderschöner machte dieses Buch der Fakt, dass es von vielen verschiedenen Autoren und Autorinnen verfasst wurde. Jede(r) hat mit seinen Texten etwas in mir ausgelöst. Einige sind mir mehr geblieben als andere, aber alle haben sie irgend einen Zauber hinterlassen. 

Von unserem einzigen Holländer, dem Michel, der mal bei einer Polizeikontrolle auf die Frage, 'Geboren?' mit 'Ja' geantwortet hatte. - Saša Stanišić



In allen fünfundzwanzig Kapiteln ist das Grundthema die Fremde, die Flüchtende verspüren, wenn sie in einem anderen Land ankommen. Das Buch spricht also die aktuelle Flüchtlingskrise an, lässt aber auch genug Platz für andere Themen. Einmal geht es um China, ein anderes Mal um Burundi. Auf die Flüchtlingskrise wird teilweise direkt Bezug genommen, doch in manchen Geschichten sind  auch nur Parallelen mit diesem "Grundthema" zu erkennen. Es geht um Heimweh, das Ankommen in einem fremden Land, Fremdenhass, Angst vor dem Fremden und wie wir und wie die "Fremden" damit konfrontiert werden. 


Sei es, wir selbst in einem anderen Land, in dem wir fremd sind und abwertend angestarrt werden - einmal nicht die Macht in der Hand haben, oder sei es die Schwierigkeit als Mutter mit einem adoptierten nicht grünäugigen Kind zu reisen. Das Buch ist so vielfältig und sticht genau durch diesen zu bietenden Reichtum heraus. In diesem grandiosem Werk berichten auch Autoren, die aus der Fremde flüchten mussten, aus eigenen Erfahrungen und von ihren Ängsten. Ich finde es beeindruckend, dass nur ein Buch es schafft, mir eine neue Sicht auf die Geschehnisse der Welt zu geben. Dieses Buch hat es geschafft mich völlig in einen Bann zu ziehen, mich zu belehren, mich in meinem Denken zu bescheinigen und mich zu motivieren - in jeglicher Hinsicht: Ich bedürfe selber solche Texte zu verfassen, selber mehr zu tun - zu helfen, zu reden und zu überzeugen, dass es blödsinnig ist, sich vor dem Fremden zu fürchten. Das Buch macht einem fertig und zeigt einmal mehr wie ohnmächtig wir eigentlich gegenüber allem sind, was in der Welt passiert. Gleichzeitig aber zeigt es uns auch, dass wir eben etwas gegen diese Umstände tun müssen, dass es wichtig ist einzugreifen, dass es wichtig ist zu helfen und dass es wichtig ist in Freiheit zu leben und Solidarität gegenüber anderen zu zeigen. 


Die eine Person heisst ich, die andere du. Vielleicht ist alles auch ganz anders, und du bist ich und ich bin du, und die Realität ist Fiktion und die Fiktion Realität. Und es gibt weder literarische Elemente noch diese Strassenbahnhaltestelle in Dresden, und vielleicht gab es auch keinen Spätsommer 2015. -Micul Dejun

Ich verspüre die unglaubliche Lust von jedem dieser fünfundzwanzig Autoren und Autorinnen ein Buch zu lesen. Matthias Jügler sagt es bereits im Vorwort und er hat ja so recht: Kann schreiben solidarisch sein? Die Antwort lautet: Ja, unbedingt. 


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