Politische Konflikte in Büchern

15 Mai 2018

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Im Monat Mai habe ich zufälligerweise gleich zwei literarische Werke gelesen, die komplexe politische Konflikte zum Thema haben. Lizzie Doron behandelt in 'Who the fuck is Kafka?' den Nahostkonflikt, Ayse Kulin in 'Der schmale Pfad' den der Kurd_innen und Türk_innen. Beide Bücher basieren auf Freundschaften zweier Personen, die laut ihrem Volk eigentlich befeindet sein sollen. Und beide Bücher haben mich ausnahmslos auf jeder Seite gepackt und zutiefst mitgenommen. Darum soll es heute aber gar nicht gehen, sondern um viel mehr. 


"Romane sind keine didaktischen, pädagogischen, lehrreichen Sachbücher. Niemand liest einen Roman, um etwas zu lernen. Deshalb habe ich mich darauf beschränkt, auf die Probleme hinzuweisen. Im Gegensatz zu dem, was manche Kritiker glauben, werden Lösungen nicht von Romanen geschaffen, sondern von Politikern und Staatsmännern. Den Literaten fällt es zu, ihre Leserinnen und Leser dahingehend anzuregen, dass die Probleme des Landes nicht mir Gewalt, sondern in Frieden und Freundschaft gelöst werden können." So äusserte sich Ayse Kulin zu ihrem Roman und der darin verarbeiteten Thematik. Wobei ich selbst ihre Aussage kritisch betrachte: Auch von Romanen kann man lernen, sehr viel sogar. Und Lösungen sowie Politik dürfen eben nicht nur von Politikern und Staatsmännern geschaffen werden, auch nicht nur von Politikerinnen und Staatsfrauen, sondern von allen und jeden. Aber ihre Grundaussage ist eine andere, nämlich die, dass der Roman keine praktischen Lösungen bietet und nicht wie ein Sachbuch in die Thematik einführt und alles mit einbezieht. Nach künstlerischer Freiheit werden Dinge ausgelassen und andere betont. Genau hier ist natürlich auch schwierig abzuschätzen, ob man selbst diesem Buch vertraut. Ob man Belletristik, reiner Fiktion überhaupt vertrauen kann. Dabei steckt natürlich etwas zutiefst Wahres darin. Aber eben nicht die ganze Geschichte, alle Perspektiven und Sichtweisen (Ayse Kulin ist Türkin, Lizzie Doron jüdische Israelin, was jedoch nicht heissen soll, dass sie undifferenziert die jeweilige 'Gegenseite' portraitieren, im Gegenteil). Zum Glück hatte ich nützliches und wichtiges Vorwissen. Eine Basis, die mich überhaupt realisieren liess, was ausgelassen wurde. Wenn man das nicht hat, oder aus irgendwelchen Gründen auch immer daran glaubt, dass die ganze Komplexität in solchen Büchern steckt, die ganzen Lösungen dahinter, dann entsteht eine furchtbar heikle Situation. Der es natürlich zu entgegenwirken gilt - aber können wir das? Und können solche Bücher das?

Das waren Überlegungsansätze von mir, die ich während der Lektüre entwickelt habe und gerne etwas ausführen wollte. Nun gehe ich aber noch auf beide Bücher ein, weil sie es verdient haben und wichtige Literatur sind, um das momentane Weltgeschehen zu verstehen. Ich fasse den jeweiligen Konflikt natürlich nicht zusammen, empfehle aber zu beiden Büchern noch Sachliteratur, die (unter anderem) helfen, diesen Sachbestand zu verstehen.



Der schmale Pfad von Ayse Kulin

Die Türkin Nevra Tuna ist Journalistin und steckt in einer persönlichen und beruflichen Krise. Ihre Hoffnung setzt sie auf ein Interview mit der kurdischen, ehemaligen Parlamentsabgeordneten Zelha Bora, welche wegen 'Seperatismus-Propaganda' inhaftiert ist. Das Gespräch dauert acht Stunden und findet in einem Gefängnis um das Jahr 2000 statt. Erst nach einem intensiven und emotionalen Gespräch über den Konflikt realisieren beide Frauen, dass eine spezielle Begebenheit die beiden als kleine Mädchen zusammenbrachte - seither waren sie beste Freundinnen, bis sie etwa dreissig Jahre vor dem Gespräch auseinandergerissen wurde. Ihr Leben hat sich unabhängig voneinander entwickelt und jetzt haben sie diese acht Stunden, die wir miterleben, um Altes aufkommen zu lassen, sich gegenseitig Dinge zu erklären und die enge Verflechtung ihrer beiden Leben zu realisieren. 
"Wir, miteinander aufgewachsen, miteinander lebend, einander ähnelnd, streitbar, reizbar und störrisch, unendlich grosszügig und lebensspendend, fürsorglich, gefühlvoll und beherzt, gerissen, boshaft, wir, die wir zugleich leidgeprüft, unschuldig und naiv sind. Wir sind Kinder des gleichen Bodens."
Ayse Kulin spricht sich gegen Gewalt aus - würde Gewalt die Lösung bringen, wäre sie schon längst erreicht. Im Gegenteil, die Zukunft scheint in Bildung, Bewusstsein, Erziehung und den Müttern, dem Ursprung zu liegen. Das Wichtigste aber, und das zeigt sie wunderschön mit diesem Roman, ist, dass man Probleme nur lösen kann, wenn man sein Gegenüber persönlich kennenlernt, versteht und miteinander kommuniziert.

Zum Hintergrund: ich lese gerne die Bücher von Cigdem Akyol, einer türkischen Journalistin und Autorin. In 'Generation Erdogan. Die Türkei - ein zerrissenes Land im 21. Jahrhundert' spiegelt sie vor allem die aktuelle Situation und schliesst auf diese durch viele Geschichtsnachweise, die ich als besonders wertvoll empfand. Für aktuelle Nachrichten empfehle ich anfdeutsch.com
Who the fuck is Kafka von Lizzie Doron

Auch hier gibt es zwei Personen, an welchen sich der Konflikt widerspiegelt. Die eine ist Lizzie Doron selbst, israelische Schriftstellerin. Die andere Person ist der arabisch-palästinensische Nadim Abu Heni, der "ein fiktiver Held" ist. "Er steht für viele meiner palästinensischen Freunde, die ihre Geschichten mit mir teilen und mir auf diese Weise halfen, eine Figur wie ihn zu erschaffen, ein Buch wie dieses zu schreiben." Die beiden trafen auf einer Friedenskonferenz in Rom aufeinander und führen erstmal ein stockendes Gespräch. Die Spannung ist ständig zu spüren, und doch verschwimmt Feindschaft zu einer innigen und komplex verwickelten Freundschaft. 
"Da waren ein Mann und eine Frau, die im selben Land geboren worden waren, für den einen hiess es Palästina, für die andere Israel, die Hauptstadt des einen war auch die Hauptstadt der anderen - nur nannte er sie El Kuds, und sie Jerusalem. Er sprach nicht Hebräisch und sie nicht Arabisch."
Es ist wohl eine ähnliche Botschaft, die Lizzie Doron in diesem Buch vermittelt. Dass man sich kennen und persönlich wertschätzen muss, um auf einer tieferen intellektuellen Ebene Konflikte zu lösen - privat sowie vielleicht auch für ein etwas grösseres Publikum, die Leserschaft von 'Who the fuck is Kafka'.

Zum Hintergrund: Kaum habe ich diesen Artikel fertiggestellt, kommen in Flutwellen Nachrichten zu ebenjenem Thema auf mich zu. Ständig passiert Neues, und so gibt es natürlich auch hier keine vollständigen Sachbücher. Sowohl Noam Chomsky als auch Amoz Oz haben jedoch dazu geschrieben. 
2 Kommentare
  1. Toller Blog, habe dich gerade (wieder)entdeckt. Interessante Eindrücke, die du da beschreibst. Gefällt mir sehr!

    Liebe Grüße,
    Sina

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