Blauer Hibiskus

08 Juni 2016

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Das Haus von Kambilis Familie liegt inmitten von Hibiskus, Tempelbäumen und hohen Mauern, die Welt dahinter  ist das von politischen Unruhen geprägte Nigeria. Mit sanfter, eindringlicher Stimme erzählt die 15jährige Kambili von dem Jah, in dem ihr Land im Terror versank, ihre Familie auseinanderfiel und ihre Kindheit zuende ging. 

Dies ist Chimamanda Ngozi Adichie hochgelobtes Debut, welches von Nigeria, ihrem Heimatsland erzählt, und dies in der Stimme von Kambili. Kambili hat einen Plan für jeden Tag, der vor allem aus Lernen bestand. Kambili hat einen Plan für's Leben - er besteht aus 'Religion', 'Erfolg' und 'Lernen'. Kambili meint, dies sei ihr Plan. Auch wenn sie diesen regelmässig von ihrem Vater ausgehändigt bekommt. Sie erspäht darin auch ein erfülltes Leben, ihr erfülltes Leben.
Dies hinterfragt sie nicht. Sie nimmt es einfach an. Es ist ihr egal, dass es sich nur minimal von dem Leben vieler anderen unterscheidet und nicht individuell ist. Es ist ihr egal, dass es sie nur augenscheinlich ausfüllt. Denn es ist ihr so wichtig, ihren Vater stolz zu machen, einmal in sein liebevolles, liebendes Gesicht zu blicken, als einen erzürnten, boshaften Ausdruck darauf zu erkennen. Doch diesen zweiten nimmt sie für den ersten in Kauf. Und so beginnt der Teufelskreis einer Familie, deren Familienvater alle bestimmt und in der niemand sich eine Freiheit nimmt, um zu reden, um zu hinterfragen, um zu lachen oder um seinem Herz zu folgen.
Bis sie ihre Tante näher kennenlernt, ihre Cousinen und Cousins und deren Leben. Welches so froh, so bunt, so farbig ist. Ein Leben, in dem man nicht mit Ästen aus dem Garten geschlagen wird, wenn man nur die Zweitbeste der Klasse war. Nein, vielmehr ein Leben, in dem man laut auflachen kann, in welchem man sich finden und manchmal auch  verlieren darf. Kambili und ihr Bruder Jaja finden dort eine Art von Leben, die sie näher auskundschaften wollen. Und dann folgen Schicksalsschläge auf Schicksalsschläge.

Doch trotzdem ist alles ganz real. Es hört sich, so zusammengefasst, fast wie nach einem Märchen an. Genauso wie die Beschreibungen nigerianischer Landschaften und Märkte, Gerüche, Essen, Gespräche. Chimamanda Ngozi Adichie hat einen Roman erschaffen, der sich leicht lesen lässt, und der einem doch so viel Lebensfreude und Lebenserfahrung vermittelt und für so viel steht. Man kann von dem Buch lernen, ohne dass man sich belehren lässt. Und genau das gefällt mir an Chimamanda Ngozi Adichies Büchern und an ihrem Schreibstil. Ja, sie sind feministisch, und zwar wirklich mit Abstand die feministischsten Bücher, die ich je gelesen haben. Aber eben kein Lehrbuchfeminismus, welcher oft komplett missbräuchlich die Botschaft rüberbringt - oder gerade eben nicht

Die Charaktere, die sie erschaffen hat, sind einzigartig und vielschichtig. Wahnsinnig viele wachsen uns als Leser ans Herz, auch wenn sie naiv oder nicht sehr mutig sind. Sie sind alle so authentisch. Die Zeit schrieb über den Roman und die Autorin: 'Solange solche Romane erscheinen, ist das Leben für die Literatur nicht verloren.' Auch  wenn das zutiefst war ist, müsste man es umkehren. '...Literatur für's Leben' ist dieses Werk nämlich. Eindringlich, unvergesslich und in manchen Fällen vielleicht lebenverändernd. Und für jeden anders.  Es ist ein persönliches Erlebnis mit dem Buch, und eine solche Intimität hat noch selten eine Autorin in einem Buch für mich, mit einem Buch und mir, erschaffen.  

Fischer / 335 Seiten / Taschenbuch / 'Purple Hibiscus', Englisch / übersetzt von Judith Schwaab / 10.99 Euro [D]
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