Krieg, Stell dir vor, er wäre hier | Rezension

21 Juni 2015

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Krieg - Stell dir vor, er wäre hier von Janne Teller
Verlag: Hanser
Seitenanzahl: 60 Seiten
Fassung: Gebunden ohne Schutzumschlag
Übersetzerin: Sigrid C: Engeler
Mit Illustrationen von: Helle Vibeke Jensen
Preis: ca. 8,50 Euro [D]




Janne Teller wagt erneut ein eindringliches Gedankenexperiment: Sie macht uns klar,
was es bedeutet, Kriegsflüchtling zu sein -
durch einen schlichten Wechsel der Perspektive


Janne Tellers Bücher haben mich schon immer angesprochen. Lange wusste ich als kleines Kind wage etwas zum Inhalt von Nichts. Was im Leben wichtig ist., aber ich habe es nie gelesen. Dann war ich im Theaterstück. Und auch wenn es eine wunderbare Vorstellung war, toll inszeniert, mit sich hingebenden Schauspielern und einer schlichten, multifunktionalen, originellen Kulisse, war ich sofort vom Inhalt begeistert, mehr als das. Das Buch, welches ich zuhause hatte, ebenso wie das Hörspiel, war am gleichen Abend noch beendet. Mir gefiel es, wie Janne Teller sich Gedanken machte. Wie ihre Jugendlichen ticken. Wie nicht immer alles auf die leichte Schulter genommen wird - das Bedürfnis, nachzudenken, zu diskutieren und Ideen zu entwickeln, haben wir alle doch irgendwo. Und in ihrem ersten Buch hat sie solche Gedanken veröffentlicht und Jugendliche die Situation spielen lassen. Was bedeutet Leben? Was bedeutet Besitz? Was ist wichtig im Leben? Eindringlicher geht es wohl kaum - großen , gelungenes Werk, welches ich euch nur ans Herz legen kann.


In diesem kleineren Büchlein geht es um was anderes. Der Titel sagt schon alles. Der Klappentext erläutert nochmals die Idee. Janne Teller dreht es um. In der westlichen Welt herrscht Krieg. Wir Europäer müssen flüchten, und nur der Orient bietet Platz dazu. Doch sie wollen uns nicht haben. In der zweiten Person geschrieben, fühlt man sich sofort rein. Janne Teller hängt uns eine Geschichte an, viele Geschichten, von allen  Bekannten, mit denen wir vor drei Jahren noch ein normales Leben gelebt haben. Doch dann kam der Krieg. Etliche sind verschwunden oder bereits gestorben. Wir müssen fliehen. Doch die Möglichkeiten sind begrenzt. Geld gibt es fast keines, alles muss verkauft werden. Wir sind aufgeschmissen. 

Es ist eine Frage, die ich mir oft stelle. Was wäre, wenn wir flüchten müssten. Wenn der Krieg hier herrscht. Das Buch interessierte mich. Aber abgesehen davon ist es Pflichtlektüre. Ich würde liebend gerne allen Passanten dieses Buch hinstrecken und ihnen beim Lesen der sechzig Seiten in die Augen schauen. Schlussendlich bin ich eine Person die das so sieht. Auch Janne Tellers erstes Buch war teilweise verhöhnt. Es wurde sogar verboten. Weil viele Leute die Augen davor verschliessen, das wir solche Bücher brauchen.

Es wurde wie ein Pass gestaltet. Das Wort KRIEG, gross und fett steht es in Goldschrift da und hat eine verstörende Ausstrahlung. Der Untertitel macht's. Stell dir vor, er wäre hier. Und der Inhalt ist grandios. Er öffnet verschiedene Ansichten. Lässt dich alles von einer anderen Perspektive aus sehen.
Auf wohin? gibt es keine Antwort. Eure Familie ist zu einer Zahl geworden. Fünf! Es gibt kein Land, das weitere fünf Flüchtlinge haben will. Flüchtlinge, die die Sprache nicht beherrschen, die nicht wissen [...] wie man in der Hitze lebt. Nein, es gibt kein Land, d as die dekadenten Menschen aus dem Norden aufnehmen will. [...] So heisst es in der arabischen  Welt, der nächstgelegenen Region, in der Frieden herrscht und die Möglichkeit für eine Zukunft bietet. Wohin dann?
Es ist ein kleines Erlebnis, dieses Buch. Man muss es immer wieder weglegen, um sich innerlich zu beruhigen und auf das Folgende zu wappnen. Lässt man sich aber mal auf das Buch ein, wird es schnell zu einem Zeichen, das Janne Teller erfolgreich gesetzt haben und von dem wir ein Anteil sein dürfen.

4 Kommentare
  1. Traurig eigentlich dass es dazu extra Literatur geben muss, die die Leute aufwecken soll und nicht generell so viel Verständnis in den Köpfen hängt, dass es selbstverständlich sein sollte Menschen in Not zu helfen. Die meisten vergessen nur zu gerne dass vor 25 Jahren noch Deutsche aus der DDR geflüchtet sind und z.B. Länder wie Ungarn diese aufnahmen. Und was macht Ungarn heute? Baut einen fetten Zaun damit keine Flüchtlinge ins Land kommen.

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    1. Traurig auch, dass Leute, die bereits ein Bewusstsein dafür haben, solche Bücher lesen, und nicht die, die damit aufgeweckt werden würden. Ich schüttle immer wieder auch in ganz alltäglichen Situationen den Kopf - viele Leute wollen sich nicht eingestehen, dass sie vor Fremden immer noch Angst haben.

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    2. Ich denke das liegt gerade am Bewusstsein für die Thematik. Mir begegnet es nur all zu oft dass Leute die "dagegen" sind so etwas gar nicht erst lesen da sie behaupten der Staat würde sie dadurch manipulieren wollen und was es da nicht alles für krude Theorien gibt, haha. Resistent gegen Fakten :D Die Menschheit geht gerade einen sehr eigenwilligen Weg.

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    3. Klar liegt es daran. Aber sowas gehört einfach nicht in unsere Generation. Grösster Schocker bei mir diese Woche: Eine Umfrage der 17-jährigen, potenziellen Wähler in der Schweiz. Die Mehrzahl geht dem Weg der rechtradikalen Volkspartei nach, Migration sei ihr grösstes Problem. Es ist einfach immer wieder unglaublich. Schön, dass du so toll kritisierst.

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