adibas von zaza burchuladze

06 Dezember 2015

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Es herrscht Krieg zwischen Russland und Georgien. Die russischen Truppen haben Tiflis eingekreist. Doch die Happy Few der Neureichen-Tiflis-Hipster und Womanizer ignorieren die Nachrichten vom Krieg vor ihrer Haustür. Mit hemmungslosem Sex, den verfügbaren Betäubungsmitteln und der Musik aus dem iPod schaffen sie sich ihre eigene Realität. Der Krieg existiert für sie vor allem in Fernsehen, Radio und Internet.
Die Augen weit geschlossen, durchstreifen sie die Stadt zwischen  Alltag und Ausnahmezustand. En passant entsteht so das Panorama einer Gegenwart aus Fake-Nachrichten, Fake-Brüsten, Fake-Gefühlen und einer Vergangenheit, die vielleicht authentischer war, aber deshalb auch nicht besser. 

Verlag: Blumenbar • Seiten: 200 Seiten • Fassung: Gebundene Ausgabe • Original: Adibas, Georgisch • Übersetzerin: Anastasie Kamarauli • Preis: ca. 18 Euro [D]

"Bobo kann alles."


Manchmal fasziniert dich ein Buch einfach. Du siehst es immer wieder und scheinst nicht recht zu wissen, um was es geht. Der Klappentext ist irreführend und erzählt wenig über den Inhalt. Du ahnst nicht, dass das Buch ähnlich sein würde, irreführend und verheimlichend, oberflächlich und die Aussage unter dem Ball spielend. Und dann ist es einfach mal so weit, hast gerade auf den letzten Cent genug übrig, dir das Buch zu kaufen, denkst dir noch verzweifelt 'Was soll's' und schon ist das Buch Deins. Ja, so schnell kann es gehen. Vielleicht ein Fehlkauf, aber doch immer die spannendsten Käufe. Deswegen liest du es gleich, sofort nach dem Kauf. Und bist erstmals verwirrt.


Adibas besteht aus szenenhaften Teilen, die nicht wirklich einen Zusammenhalt bilden. Schnell wird dir klar, dass sie ein gemeinsames Motiv haben, eine Botschaft, die man nicht unbedingt mitbekommt. Zaza Burchuladze wendete eine Methode an, um uns einen Lifestyle des 21. Jahrhunderts bewusst werden zu lassen, welcher doch so banal und krankhaft ist, welche mir bereits untergekommen ist und von dem ich nicht wirklich Fan bin. Die Message, diese Aussage, die ist unwiderstreitbar gut und wahr. Vermittelt wird sie, in dem sie überspitzt von Situation erzählt, die dir nicht ganz klar werden, Momente erfindet, in denen du selbst vergisst, was du eben gelesen hast und fast wie im Rausch bist. Adibad erzählt die Geschichte einer Generation, die sich einen Dreck schert, um den Krieg, der sich abspielt. Oder eher von Nachrichten, die manchmal ellipsenartig zu unseren jungen Leuten durchdringen, sie aber kaltlassen. Währen von Anfällen und Anschlägen erzählt wird, wird ein Ei gekocht und der Radio umgeschaltet für ein bisschen gute Stimmung. Oder, in aller Ausführlichkeit beschrieben, ungehemmt Liebe gemacht. Ganz zu schweigen vom Drogenkonsum. Es ist wohl die erschreckendste Art, um mitzuteilen, was Burchuladze eigentlich sagen möchte. Die unschönste. Den beim Lesen wird dir schlecht, ist dir zum Kotzen zu Mute und ganz ehrlich: weiterlesen möchtest du eigentlich auch nicht, dass du dich sowieso nicht mehr daran erinnern kannst, was am Seitenanfang für 'ne Kombination aus Buchstaben und Zahlen und Logos und Zeichen stand. Aber es ist dir auch egal. Denn in diesem Roman ist man entweder drin, oder man versteht ihn nicht. Obwohl ich irgendwie sagen muss, dass ich so etwa in der Mitte stehe. Ich habe mich beim Lesen nicht wirklich konzentriert, sondern habe die Wörter inhaliert und danach wieder vergessen. Und doch ist mir die Grundaussage auf nochmals andere, schmerzliche Weise klar geworden, als dass der Klappentext sie schon verrät. 


Es gibt Gedankenzüge, für welche ich  den Autor bewundere. Für den Mut, den er aufbringt, um solche Gedanken  auszuschreiben und in Worte zu fassen. Und doch war alles so banal. Dann denke ich mir aber auch wieder: natürlich ist das Buch banal. Der Inbegriff von Banal. Diese Banalität, die dir klamm durch den Körper kriecht und dich selbst trifft. Weil du genauso belanglos durch dein Leben schlenderst, wie es die Protagonisten von Burchuladze zu tun scheinen. Und weil doch so viel wichtigeres und grösseres passiert, wofür du dich nicht mal einmal im Monat beim Frühstück mit halbem Ohr interessierst. 


Ich weiss nicht wirklich, was ich von dem Roman denken soll. Eine Entdeckung, in den Himmel gelobt. Gewisserweise bin ich zu jung dafür, und doch glaube ich, dass ich nie wirklich in ein Alter kommen werde, in dem es mir Spass macht, ein solches Buch zu lesen. Nicht, weil es so brutal ist, sondern weil es so schwer und so leicht ist. Es ist schwer zu fassen - in deinen Gedanken und auch danach, wenn du eine Rezension dafür zu schreiben versuchst.


Du sahst es also da in dem Laden. Zum sechsten Mal lächelt es dich an, du denkst dir, ja, jetzt ist es soweit, ich nehme es mal mit. Ist ein Zeichen, denn der Titel hat auch sechs Buchstaben. Das erste Mal ist es nicht in Folie gewickelt. Du klappst es auf, nachdem du vorsichtig über den  Einband gestrichen hast und bist abgeschreckt und gleichermassen angetan von der Gestaltung. Im Buch ist es dann genauso, wenn du es liest, nur weisst du das noch nicht. Du schaust nach, wie viel Geld du bei dir trägst. Es stimmt genau, der Betrag gleicht sich auf den letzten Cent. Also kaufst du das Buch, läufst zur Bahn, steigst ein, beginnst es zu lesen, steigst aus der Bahn und taumelst nach Hause, weil alles doch so anders ist, als du dir es vorgestellt hast.

Zaza Burchuladze, 1973 in Tiflis geboren, übersetzte Fjodor Dostojewski und Daniil Charms ins Georgische.  Seine Romane und Essays wurden von religiösen Extremisten verbrannt und vom Präsidenten Saakaschwili in der georgischen Tagesschau angeprangert. Im Sommer 2012 wurde er von Unbekannten angegriffen und musste mit seiner Familie nach  Deutschland fliehen. Heute lebt und arbeitet er in Berlin. Für seine Romane wurde er mehrfach  ausgezeichnet. Adibas ist sein erstes Buch auf Deutsch.
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