the girls | buchbesprechung

22 Februar 2017

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Kalifornien, 1969. Evie Boyd ist vierzehn und möchte unbedingt gesehen werden – aber weder die frisch geschiedenen Eltern noch ihre einzige Freundin beachten sie. Doch dann, an einem der end-losen Sommertage, begegnet sie ihnen: den „Girls“. Das Haar, lang und unfrisiert. Die ausge-fransten Kleider. Ihr lautes, freies Lachen. Unter ihnen ist auch die ältere Suzanne, der Evie verfällt. Mit ihnen zieht sie zu Russell, einem Typ wie Charles Manson, dessen Ranch tief in den Hügeln liegt. Gerüchte von Sex, wilden Partys, Einzelne, die plötzlich ausreißen. Evie gibt sich der Vision grenzenloser Liebe hin und merkt nicht, wie der Moment naht, der ihr Leben mit Gewalt für immer zerstören könnte.



Ich wusste von Anfang an, dass es schwierig werden würde, 'The Girls' zu rezensieren. Das Buch verdient nämlich die viele Aufmerksamkeit, die es bekommen hat, und doch habe ich so viele Meinungen dazu durchgelesen und mein Empfinden wirklich nirgends wirklich gut reflektiert lesen können. Ich habe mir also bewusst Zeit gegeben, um wieder meinen eigenen Gedanken zum Bücher näherzukommen und das Gelesene auch etwas länger auf mich wirken lassen zu können. 'The Girls' spielt im Kalifornien der späten Sechziger Jahre, wir haben eine junge Protagonistin namens Evie Boyd und eine Rahmengeschichte, in der sie erstmal als ältere Frau auftritt. Das ist auch ein entscheidender Punkt in der Geschichte oder zumindest deren Erzählung, denn wir kommen nicht wirklich mit den naiven Gedanken der damals vierzehnjährigen Evie in Berührung, welche auf lange Zeit wohl klischeehaft und unglaubwürdig gewirkt hätten. Genau hier würde natürlich auch eine Schwierigkeit liegen, ihre stärker und stärker werdende Zuneigung zu diesem Kult realistisch und aus ihrer damaligen Sicht zu erzählen, aber Cline hat das dennoch galant geschildert. Denn im Gegenteil zu anderen Romanen, die in Sekten spielen, ist das Ganze hier viel authentischer und erinnert mich auch an viele Ansätze, die in unserer Kultur erhalten sind. Ich konnte mich unglaublich gut in Evie hereinversetzen, nicht nur, weil wir etwa das selbe Alter teilen, sondern auch mit ihren Gefühlen. Den Kult, den Cline in ihrem Debut beschreibt, existierte tatsächlich und hiess 'Manson Family' rund um den Anführer Charles Manson. Hier im Buch haben wir einen Russell. Der ist stark an Manson orientiert, vom knapp beschriebenen Äusseren bis zu seiner Musikleidenschaft. Evie fühlte sich in ihrer Familie ungeliebt und ungesehen und hatte auch nicht wirklich ältere Vorbilder, zu denen sie aufsah, und all das wurde ihr mit diesem Kult geschenkt, und noch dazu eine wichtige Erfahrung, die sie im späteren Leben zu der machen, die sie ist - sehr schön, dass wir das auch tatsächlich mitbekommen durch die Rahmenhandlung, die auch eine eigene Spannung besitzt und nochmals Clines Talent beweist.


Allerdings bezweifle ich, dass sich der Roman so sehr um Russell dreht, viel eher fühlt sich Evie nämlich von Suzanne angezogen, es ist nie ganz klar, auf welche Weise, aber genau das ist auch der springende Punkt - es geht um Evies Selbstfindung, egal ob in sexueller Hinsicht oder einer anderen. Und dieser Kult rettete sie gewissermassen vor spiessigen, einengenden Häuser und Familien, die sie auch so wahrnahm. Natürlich brachte er sie andererseits zu Drogen und ihr wurde auch viel Leid zugefügt, das sie damals aber willkommen entgegennahm, da sie sich im Kult verlieren konnte und auch ein bisschen sich selbst fand. Denn dieser Kult zelebrierte auch die freie Liebe, die alle für alle empfinden könne, er war auch eine Gegenbewegung zu der noch immer so stark präsenten Konsumgesellschaft. Ich möchte damit überhaupt nicht den Kult schönreden, und mir ist unglaublich stark bewusst, wie viel Schreckliches geschah und auch heute noch täglich im Rahmen von Sekten über die Bühne (oder eher im Backstagebereich) geht, aber ich sah in diesem Kult auch nicht wirklich die Verderbung von Evie. Die Thematik ist natürlich sehr intensiv, aber Cline schafft eine wunderschöne Balance, indem sie ebendiese Thematik mit einem poetischen und doch federleichten Schreibstil aufgreift, der zugegebenermassen ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist, aber man wird dann auch belohnt. Ich möchte euch 'The Girls' ans Herz legen, wenn ihr euch für das Leben in Amerika interessiert, wenn ihr gerne vom Erwachsen-Werden und Sich-Selbst-Finden lest, aber auch, wenn ihr auf der Suche nach einem poetischen Roman mit viel Spannung sucht. Denn vor allem kombiniert 'The Girls' ganz viele unterschiedliche Elemente und behandelt und bedient eine grosse Bandbreite an interessanten Aspekten, und das wirklich gut aufgearbeitet. Ein faszinierendes Debut, anders kann ich es nicht bezeichnen - ich bin sehr gespannt, was folgen wird aus Emma Clines Feder.
2 Kommentare
  1. Das Buch macht mich sooo neugierig! Ich möchte es unbedingt ganz bald lesen.
    Sehr schöne Rezension!

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    1. Vielen Dank, liebe Cora! Ja, ich kann es dir wirklich nur absolut ans Herz legen!

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