Der Junge im gestreiften Pyjama | livresque amitié

27 November 2016

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Fischer Verlag / 270 Seiten / Taschenbuch / "The Boy In The Striped Pyjamas", Englisch / Brigitte Jakobeit

Die Geschichte von 'Der Junge im gestreiften Pyjama' ist schwer zu beschreiben. Normalerweise geben wir an dieser Stelle ein paar Hinweise auf den Inhalt, aber bei diesem Buch - so glauben wir - ist es besser, wenn man vorher nicht weiss, worum es geht. Wer zu lesen beginnt, begibt sich auf eine Reise mit einem neunjährigen Jungen namens Bruno. (Und doch ist es kein Buch für Neunjährige.) Früher oder später kommt er mit Bruno an einen Zaun. Zäune wie dieser existieren auf der ganzen Welt.




Anaïs: Nun ist es schon wieder ein Weilchen her seit wir das Buch gelesen haben, aber ich habe es noch ziemlich genau im Kopf. Ein wirklich sehr eindrückliches Werk, das wohl alt und jung berührt. Weil es einfach ganz toll geschrieben ist- einfach, berührend, hart.

Mara: Du bringst es ziemlich genau auf den Punkt. Mir wurde es so oft empfohlen, bevor ich dann endlich danach griff, und zwar von den unterschiedlichsten Menschen, wie du schon sagtest. Jung und alt, Viel- und Sonntagsleser_innen. Diese Tatsache allein hat mich schon auf das Buch gespannt gemacht, und ich wurde nicht enttäuscht. Ob es wirklich so hart ist, weiss ich gar nicht, bis auf das Ende natürlich, aber eigentlich wird es nur durch unser Wissen und Brunos Unwissen über die Situation so hart, nicht wahr? Denn der Text an und für sich scheint mehr oder weniger unbekümmert. Aber genau darin liegt ja das Spezielle dieses Buches, oder Fabel, wie es auf der ersten Seite beschrieben wird. Was sagst du dazu, ist das Buch für dich eine Fabel?


Anaïs: Hart ist es aus dem Grund, den du genannt hast. Die Tatsachen und Fakten sind in dem Sinne hart, da wir sie besser kennen als Bruno. Ich habe so eben noch einmal die Definition einer Fabel nachgeschlagen und Wikipedia hat mir folgende geliefert: Eine Fabel ist eine kurze Geschichte, in der meist Tiere die Hauptrolle spielen, und die Leser moralisch belehren will. Also Bruno ist definitiv kein Tier - also auf alle Fälle schon einmal eher untypisch für eine Fabel, aber ich eigentlich werden wir als Leser_in schon belehrt. Des Menschens Blindheit, Naivität und auch Ignoranz gegenüber Dingen wird auf jeden Fall indirekt sehr stark kritisiert. Das ist zumindest meine Interpretation des Buches. Da die Geschichte auch eher kurz und kompakt ist, kann man sie durchaus als Fabel bezeichnen, aber eigentlich sollte irgendwie ja jede Geschichte eine Moral haben und von daher finde ich den Begriff der Fabel nicht hundertprozentig zutreffend.

Mara: Ich war ebenfalls ein bisschen erstaunt, als ich das Buch nochmals aufschlug und auf diese Bezeichnung stiess. Aber ich kann durchaus nachvollziehen, weswegen sie diese gewählt haben. Ich weiss gar nicht, ob das Buch so stark belehrt oder kritisiert - ein kritischer Text ist es ja auf jeden Fall. Allerdings finde ich gerade hier so spannend, dass nie richtig Stellung genommen wird, da ja alles aus der Perspektive eines Kindes erzählt wird. Meiner Meinung nach zeigt das Buch vor allem auch, wie Boyne auch in seinem Nachwort meint, dass Kinder noch vielmehr eine neutrale Position habe, die einzig und allein vom gesunden Menschenverstand gefärbt wurde, und dass Erwachsene davon meistens viel seltener Gebrauch machen...


Anaïs: Gerade eben durch die Augen eines Kindes, finde ich den Text sehr kritisch. Wenn man bedenkt, dass der Text von einem erwachsenen Menschen geschrieben worden ist, dann finde ich schon, dass er sich durch diese neutrale Perspektive des Kindes kritisch gegenüber Erwachsenen äussert. Ich mag mich erinnern, dass wir an der Buchmesse mit Lucas, dem Azubi des Fischer Verlags, über dieses Buch gesprochen haben. Wenn ich mich recht erinnere, fandet ihr beide das Ende des Buches nicht so gut. Mir hingegen hat es gefallen. Ich möchte jetzt hier nicht zu viel vorweg nehmen - für diejenigen, die das Buch noch nicht gelesen haben. Aber würdest du noch einmal erläutern, weshalb dir das Ende nicht so gut gefiel? 

Mara: Denkst du, dass die Ignoranz kritisiert wird? Erwachsene sind ja sehr selten im Buch vorhanden, und wenn, dann ist ihre Position klar. Ich sehe schon ein, was du meinst und stimme natürlich dieser kritischen Haltung auch zu, aber ich erkenne sie jetzt nicht direkt im Text. Das Ende hingegen nimmt für mich viel zu viel Raum ein, kommt zu plötzlich und drängt uns noch mehr in diese Rolle der 'Allwissenden' gegenüber Bruno. Es kommt abrupt und ja, ist bekümmerlich. Aber ich mag nicht, wie damit Mitgefühl von uns erzeugt wird, es wirkt nicht so recht natürlich auf mich...

Anaïs: Bei der Ignoranz habe ich vor allem an Brunos Mutter gedacht, die ja anscheinend mit den Tätigkeiten in ihrem Hause nicht zufrieden ist, aber doch nichts dagegen unternimmt. Ebenfalls die Position der beiden Angestellten. Das Ende habe ich so, wie du es hier beschreibst, nicht empfunden. Aber du hast natürlich recht - es kommt viel zu schnell und weckt Mitleid.


Mara: Ich empfand es einfach irgendwie plump, im Gegenteil zu allem anderen, was er ja sehr feinfühlig in das Buch integriert - ebenso wie diese Kritik, da muss ich dir zustimmen, ich hatte das nicht mehr so ganz im Kopf, aber jetzt, wo du die Charaktere ansprichst, stimmt... Ich denke, dass das Buch ähnlich ist wie 'Le Petit Prince' - man kann es als Kind, als Jugendliche_r oder als Erwachsene_r lesen und jedes Mal empfindet man es anders und entdeckt etwas Neues. Das hoffe ich zumindest und ich nehme an, dass ich das Buch nicht zum letzten Mal gelesen habe.

Anaïs: Leider habe ich 'Le Petit Prince' immer noch nicht gelesen, das steht schon seit über einem Jahr in meinem Regal... Aber hoffentlich werde ich dieses hoch philosophische Werk auch einmal noch lesen. 'Der Junge im gestreiften Pyjama' ist auf jeden Fall ein moderner Klassiker, den man einfach gelesen haben muss. Ein Buch, das einem im Kopf bleibt.
5 Kommentare
  1. Ich habe das Buch bereits vor mehreren Jahren gelesen und fand es sehr erschütternd. Auch durch Brunos Unwissenheit.

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  2. Auch mich hat das Buch sehr berührt und noch lange nach dem Lesen beschäftigt. Ich bin nach wie vor von Boyne's Herangehensweise geflasht, die sich so wunderbar in den Jungen hineinversetzen kann und uns so die schrecklichen Gräultaten dieser Zeit aus den Augen eines Kindes schildern. Ich finde, es sollte Pflichtlektüre in den Schulen werden, denn es vermittelt uns die Geschehnisse auf eine ganz und gar andere Art, als die vielen brutalen Filme und Bücher des zweiten Weltkriegs.

    Liebe Stöbergrüße

    Steffi

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    1. Liebe Steffi, vielen Dank für deinen Kommentar! Auch ich finde, dass dieses Buch unbedingt Pflichtlektüre in der Schule werden sollte, was es aber nach und nach auch wird. Ich kenne einige, die das Buch in der Schule lesen musste und da es langsam wirklich ein Klassiker in der Jugendliteratur wurde, passiert das hoffentlich bald öfter. Boyne bringt im Herbst ein neues Buch bei Fischer raus - ich bin schon unglaublich gespannt zumal es mir auch schon vom Verlag empfohlen wurde! Ganz liebe Grüsse, Anaïs

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  3. Ich finde euer schriftliches Gespräch über das Buch sehr interessant und es vermittelt nochmal eine andere Sicht, dadurch, dass ihr euch auch nicht komplett einig seid. Gefällt mir sehr gut!

    LG Eure Mila vom Haus der bunten Bücher :)

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  4. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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