Feminismus ist hip. Beyoncé und Emma Watson bekennen sich zum »F-Wort«, Taylor Swift sowieso. Ob die TV-Serie Game of Thrones frauenfeindlich ist oder nicht, darüber redet sich mittlerweile nicht mehr nur die Community im Netz, sondern auch das Feuilleton die Köpfe heiss. Und eine ganze Marketingindustrie schreibt sich »Empowerment« auf die Fahnen, um damit so gut wie jedes Produkt, von Unterwäsche bis Frühstücksflocken, an die Frau zu bringen. Was als politische Bewegung für soziale Gerechtigkeit begonnen hat, scheint heute kaum noch mehr als ein Shoppingtipp in einem grossen, bunten Markt zu sein, der uns Lösungen für Probleme und Problemzonen verkauft, die erst das System zu solchen macht. Der Feminismus als Marke setzt individuelle Selbstverwirklichung über kollektive Solidarität.
Wir waren doch mal Feministinnen ist mir vor gut einem halben Jahr in so ziemlich jeder Buchhandlung ins Auge gesprungen, neonpink und ein provokanter Titel - es hat mich direkt angesprochen und ohne lange zu überlegen, habe ich es mir dann gekauft, weil auch ich mir meine Gedanken zu dem so genannten Mainstream Feminismus gemacht habe. Grundsätzlich: Grossartig, dass sich so gut wie alle mit diesem Thema auseinandersetzen, wunderbar, dass darüber geredet wird und dass den Menschen bewusst wird, dass noch immer einiges zu schaffen ist in dieser Welt. Aber - ein grosses Aber, verlieren wir nicht den Fokus? Um was geht es uns schlussendlich mit dem Feminismus, lohnt es sich wirklich sich darüber zu streiten, ob es nun von gewissen Wörtern im Deutschen neu auch ein feminines Äquivalent geben sollte, wenn daneben tausende von Frauen täglich sexuell belästigt werden oder für gleichwertige Arbeit weniger Lohn bekommen, wie dies Männer tun? Ich nenne die klassischen Beispiele, da ich ansonsten ein halbes Buch darüber schreiben könnte, aber dies hat ja Andi Zeisler schon für uns getan.
Allerdings finde ich, könnten durchaus einige Ergänzungen getätigt werden, mir hat das Buch nicht richtig gut gefallen, muss ich sagen. Ich hätte etwas mehr erwartet, sie spricht ein Thema an, das zur Zeit so wichtig ist und worüber es so viel zu sagen gibt, dass ich finde, sie hätte noch so viel mehr rausholen können, ganz nach dem Motto: Wenn schon Kritik, dann aber richtig. Hauptsächlich beschreibt die Autorin nämlich, was denn in den letzten Jahrzehnten mit dem Begriff des Feminismus angestellt wurde und wie er zu dem geworden ist, was er heute ist. Feminismus ist im Trend angelangt und lässt sich dementsprechend auch gut vermarkten, sie kritisiert vor allem diesen Aspekt, auch sehr wichtig und ein höchst interessantes Phänomen, doch meiner Meinung nach hätte dann der Titel dieses Buches etwas anders gewählt worden sollen. Ich erhoffte mir ein Buch voller solcher klaren Aussagen, wie sie Andi Zeisler auf Seite hundertundvier getätigt hat, ich zitiere:
"Denn die Wahrheit ist die: Feministische Bekleidung liegt gerade voll im Trend, aber es existieren keinerlei verbindliche Regelungen dazu, wie eine Feministin auszusehen hat. Doch Achtung: Eine Neudefinition des Feminismus als etwas, das frau anzieht oder konsumiert und nicht als etwas, das frau tut, führt zu gar nichts - nicht für euch als Individuen und auch nicht dafür, wie Frauen insgesamt in unserer Kultur wahrgenommen, geschätzt und gewertet werden. Und darauf kommt es schliesslich an - ganz egal, was auf eurem Hintern steht."
Das hat sie nämlich eindeutig auf den Punkt gebracht und auch im letzten Drittel dieses Buches hat sie einige Dinge angesprochen, die ich sehr gut fand und die mich zum nachdenken gebracht haben. Auch sonst habe ich einiges aus dem Buch mitnehmen können, aber einfach nicht wirklich das, was ich mir gewünscht hätte. Ich wollte kein Buch über die Entwicklung des Marktfeminismus lesen, aber da bin ich wohl auch etwas selber Schuld - hätte ich mich vorher informiert. Der Schreibstil wird auf der Rückseite des Buches als witzig und locker beschrieben, besonders humorvoll fand ich das allerdings nicht und locker auch nicht, für die fast dreihundert Seiten habe ich relativ lange gebraucht.
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